Professor Claudia Kemfert. Foto: dpa
Von Markus Sievers, RNZ Berlin
Berlin. Professor Claudia Kemfert ist Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Frau Professor Kemfert, die EU-Umweltminister haben sich im Ringen um die künftigen Kohlendioxid-Grenzwerte von Neuwagen auf einen Mittelwert geeinigt. Reicht das für den Klimaschutz?
Leider nein. Zwar ist es grundsätzlich begrüßenswert, dass man einen EU Kompromiss gefunden hat. Es ist aber im höchsten Maße bedauerlich, dass Deutschland derart beim Klimaschutz bremst. Um die Klimaziele einhalten zu können, sollten die Grenzwerte nicht um 35, sondern um 50 Prozent sinken, so wie es die Bundesumweltministerin zunächst auch gefordert hatte. Dankenswerterweise haben einige EU Länder Deutschland überstimmt, die sich für deutlich höhere als die zunächst von Deutschland geforderte 30-Prozent-Senkung eingesetzt haben. Aber traurig, dass Deutschland nicht mehr Vorreiter, sondern Bremser ist.
Deutsche Hersteller und auch ihre Betriebsräte warnen vor zu hohen Belastungen für die Industrie und Gefahren für die Beschäftigung. Muss die Politik darauf mehr Rücksicht nehmen?
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Zu viel Rücksichtnahme und das lange Festhalten am Vergangenen gefährden zukunftsfähige Jobs - dies kann man derzeit auch bei der Energiewirtschaft beobachten. Klimaschutz und der Umstieg zu einer nachhaltigen Verkehrswende mit mehr Elektromobilität und klimaschonende Antriebe schaffen enorme wirtschaftliche Chancen und zukunftssicherere Arbeitsplätze. Andere Länder sind weiter, Deutschland droht den Anschluss zu verpassen. Es ist wichtig, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, damit Investoren Planungssicherheit haben und in Zukunftsmärkte investieren. Nur so kann die deutsche Industrie und Wirtschaft dauerhaft wettbewerbsfähig sein.
Der Diesel-Gipfel hat das Chaos nicht wirklich gelöst. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus?
Die Bilanz ist desaströs, wir haben es hier mit einem kompletten Politikversagen zu tun. Fahrverbote wären nur dann zu vermeiden gewesen, wenn man die Autokonzerne nicht mehr weiter geschont sondern gezwungen hätte, die Nachrüstung aller betroffenen Fahrzeuge vorzunehmen und die Kosten dafür zu tragen. Die blaue Plakette würde den Städten helfen, die Grenzwerte einzuhalten. Zudem sollte der ÖPNV, der Schienen- und Fahrradverkehr gestärkt werden. Zahlreiche Städte in der EU und der Welt sind weiter, sie schaffen mit der nachhaltigen Verkehrswende attraktive, saubere und gesunde Lebensräume. Deutsche Städte würden enorm von der Verkehrswende profitieren.