Das Kernkraftwerk Philippsburg am Rhein ist momentan nicht am Netz. Die hohen Temperaturen sind hier kein Problem. F.: dpa
Von Greta Prünster
Berlin. Die Hitze in Europa setzt nicht nur Menschen und Tiere zu, sie zwingt auch Atomkraftwerke in den Sparmodus. In Frankreich kündigte der Energiekonzern EDF an, in dieser Woche die beiden Reaktoren der Zentrale von Golfech in Tarn-et-Garonne herunterzufahren. Hält die Hitze an, könnten auch in Deutschland Betreiber gezwungen sein, die Leistung von Reaktoren zu drosseln.
Entscheidend ist die Wassertemperatur
Grund für die Einschränkungen ist die steigende Wassertemperatur in Flüssen und Seen. Viele Kraftwerke entnehmen ihr Kühlwasser aus umliegenden Gewässern und leiten es wieder dahin zurück. Wird eine bestimmte Wassertemperatur erreicht, darf kein Wasser mehr entnommen werden, um eine weiteres Aufwärmen zu verhindern. Tiere und Pflanzen könnten sonst Schaden nehmen. Kraftwerke müssen dann ihre Leistung drosseln oder einzelne Reaktoren ganz abschalten.
Allgemein gültige Vorschriften zur Wassertemperatur gibt es allerdings nicht. "Die Vorgaben variieren wegen der unterschiedlichen Umweltbedingungen von Kraftwerk zu Kraftwerk", sagte Dieter Majer, langjähriger Chef der Abteilung für Atomsicherheit im Bundesumweltministerium.
Deutschland noch nicht betroffen
Die Temperatur steigt - und noch laufen die Kraftwerke in Deutschland ohne Einschränkungen. Auch bei den Kernkraftwerken Philippsburg und Neckarwestheim in Baden-Württemberg sei die Lage entspannt, sagte ein Sprecher des Energiekonzern EnBW auf Anfrage der RNZ am Mittwoch. Es sind die einzigen Kernkraftwerke mit denen EnBW noch Strom produziert.
"Da Block 2 in Philippsburg derzeit wegen der geplanten Jahresrevision nicht am Netz ist, fährt er ohnehin gedrosselt. Er braucht daher eine geringere Kühlleistung", so der EnBW-Sprecher. Zudem seien die Flüsse in Baden-Württemberg noch nicht so warm, sodass die Entnahme von Kühlwasser und dessen Rückführung noch möglich sei. "Bei dem stromproduzierenden Block II in Neckarwestheim gibt es deshalb keine wetterbedingten Einschränkungen", teilte der Konzern-Sprecher mit.
Bei der Hitzewelle Ende Juli vergangenen Jahres war das anders: Damals musste das Akw Philippsburg wegen der hohen Wassertemperatur des Rheins seine Leistung drosseln; auch in Neckarwestheim war die Lage angespannt.
Während am Mittwoch die Lage noch entspannt war, könnte sich dies in den kommenden Tagen ändern, denn der Deutsche Wetterdienst sagt Höchstwerte von bis zu 39 Grad voraus. Nach Angaben der Bundesanstalt für Gewässerkunde stieg die Wassertemperatur in mehreren deutschen Flüssen am Montag auf Werte zwischen 20 und 25 Grad Celsius, was Experten zufolge bereits eine kritische Schwelle darstellt.
Hitze als Sicherheitsrisiko
Selbst wenn Reaktoren abgeschaltet werden, müssen sie Majer zufolge weiter gekühlt werden. "Es besteht weiterhin Wärme im Bereich von ein bis fünf Prozent der Nennleistung des Kraftwerks", sagte der Experte. Ohne Kühlung reiche das aus, um eine Kernschmelze zu produzieren. Davon seien Deutschland und Europa aber noch weit entfernt. Auch in Frankreich teilte der Energiekonzern EDF mit, alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben, selbst wenn die Hitzewelle andauere.
Zusätzliche Kühlung
Einen Vorteil haben Kraftwerke, die über zusätzliche Kühlanlagen verfügen und nicht allein von der Wassertemperatur abhängig sind. So verfügen die belgischen Atomreaktoren Tihange und Doel über eigene Kühltürme. Das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen hat ein Speicherbecken, in dem zusätzliches Wasser zur Kühlung bereit steht. Auch bei einem niedrigen Wasserstand der Ems - beispielsweise durch Dürre - könnten die Reaktoren so mit Wasser versorgt werden, sagte ein RWE-Sprecher. Im vergangenen Jahr sei es zu einer besonders großen Wasserentnahme aus dem Becken gekommen.
Energiewende als Ausweg
Nach Ansicht der Vorsitzenden des Umweltausschusses im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis90/Die Grünen), verschärfen Kernkraftwerke die Probleme durch den Klimawandel. "Das Risiko erhöht sich aufgrund der reduzierten Akw-Kühlmöglichkeit", sagte sie am Dienstag. "Außerdem belasten Atomkraftwerke mit ihrem enormen Kühlwasserbedarf bei Hitzewellen die Flüsse zusätzlich", fügte die Grünen-Politikerin hinzu. Sie fordert eine zügige Wende zu erneuerbaren Energien.