Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Julia Klöckner (47) ist stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende.
Frau Klöckner, Annegret Kramp-Karrenbauer will sich Ende des Jahres vom Parteivorsitz zurückziehen und auf die Kanzlerkandidatur verzichten. Kann die Entscheidung über die neue Führung bis zum Bundesparteitag im Dezember warten?
Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt ja weiterhin im Amt, bis ein geeigneter Kandidat gefunden ist. Wann das sein wird, ist noch offen. Wichtig ist, dass der oder die Kandidatin alle CDU-Anhänger hinter sich vereinen kann. Wir Christdemokraten haben das Verfahren in der Hand. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit und Schnellschüsse. Rund 1000 Delegierte der CDU stehen bundesweit in Verantwortung und bereit, eine oder einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Das muss ordentlich vorbereitet sein. Wenn das gewährleistet ist, kann man das auch machen.
Droht dann nicht eine monatelange Hängepartie?
Nein, das denke ich nicht. Wir lassen uns allerdings nicht hetzen. Die Kraft liegt jetzt im Zusammenhalt, klaren Kopf bewahren und in guter Vorbereitung.
War es ein Fehler, dass die Kanzlerin Angela Merkel 2018 als Regierungschefin im Amt geblieben ist und nicht den Weg für Neuwahlen frei gemacht hat?
Annegret Kramp-Karrenbauer hat in einer schwierigen Zeit ein herausforderndes Amt übernommen, die Ereignisse in Thüringen haben die Situation noch verschärft. Die Parteivorsitzende hat aber die volle Unterstützung des Präsidiums. Im Übrigen: Angela Merkel war und ist ein Grund, warum wir als CDU weiterhin Verantwortung für dieses Land übernehmen dürfen. Es gibt sicherlich noch viel zu tun, aber ich habe schon den Eindruck, dass wir Bürger hier gut und gerne leben. Dass Angela Merkel nicht mehr bei der nächsten Wahl antreten wird, bringt für uns als Partei natürlich Veränderungen mit sich, einen Übergang, an den wir uns erst gewöhnen müssen – waren wir doch 14 Jahre lang klare Verhältnisse gewohnt: Sie war Parteivorsitzende, zugleich über Jahre die automatische Kanzlerkandidatin unserer Union. Ein solcher Wechsel bringt immer für eine gewisse Zeit Herausforderungen mit sich. Und glauben Sie wirklich, die Bürger hätten zwei Jahre nach einer Bundestagswahl Verständnis, wieder zur Wahl zu gehen – es bestand ja keine Regierungskrise oder -unfähigkeit. Hätten wir jedes Mal Neuwahlen angesetzt, als die SPD ihre Vorsitzenden auswechselte, dann wären wir aus dem Wählen nicht mehr rausgekommen...
Noch immer wirkt die Partei tief gespalten. Wie kommt die CDU jetzt wieder aus der Krise?
Wichtig ist, dass wir die Impulse, die Annegret Kramp-Karrenbauer gesetzt hat, weiterverfolgen und zum Beispiel den Grundsatzprogrammprozess konsequent zu Ende bringen. Wir müssen uns wieder auf Inhalte konzentrieren und darauf, wofür wir stehen. Die Partei ist nun in einer Erwartungshaltung, mit Verantwortung, Optimismus, Klarheit und mit Geschlossenheit unsere Arbeit zu machen.
Die Kritik an der konservativen Werteunion wird lauter. Wie sollte man mit dieser Gruppe in der Partei umgehen?
Einzelpersonen mit exklusivem Anspruch auf Werte? Wichtiger ist, dass wir zusammenstehen, das gelingt nicht mit Splittergruppen innerhalb der CDU.
Nicht nur die Junge Union fordert einen Mitgliederentscheid über Vorsitz und Kanzlerkandidatur. Was spricht dagegen?
Auf unserem Parteitag entscheiden die Delegierten. Sie haben auf kommunalen Parteitagen die Verantwortung übertragen bekommen, im Sinne der Mitglieder zu entscheiden. Im Übrigen ist auf dem Bundesparteitag im Dezember 2019 ein JU-Antrag auf Mitgliederentscheid bereits abgelehnt worden. Und die SPD hat ja eher gezeigt, wie man‘s nicht macht. Im Übrigen findet man ja kaum einen Sozialdemokraten, der für die jetzige Doppelspitze gestimmt hat – glaubt man den Aussagen.
Bleibt es für die CDU dabei – gleiche Distanz zu Linken und AfD?
Für die CDU gilt: Keine Zusammenarbeit irgendeiner Art mit den Linken oder der AfD. Das AfD-Menschen- und Gesellschaftsbild ist in keinster Weise mit unserem vereinbar. Das hat das Präsidium am Montag einstimmig bestätigt. Darüber hinaus setze ich Herrn Höcke und Herrn Ramelow nicht gleich. Das tut niemand in der CDU. Aber wenn man sich klar von der AfD abgrenzt, heißt das noch nicht, dass man dann mit der Linkspartei zusammenarbeitet. Die Linken wollen ein anderes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, so steht es in deren Wahlprogramm. Da gibt es keine Schnittmengen mit der CDU.
Aber in Thüringen droht weiterhin politischer Stillstand. Wäre eine Duldung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung nicht ein Ausweg aus der Krise?
Die Duldung, dass hier mit der Linken eine Partei qua Programmbeschluss das politische System in Deutschland abschaffen will? Stille Zustimmung für eine Partei, die trotz Mauertoten verleugnet, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, die die Unterstützung von undemokratischen Regimen in Südamerika fordert, aber auf die Abschaffung von Verfassungsschutz, Nato und Bundeswehr im gleichen Atemzug setzt? Nein.
Wie wird sich der Rückzug von AKK auf die Arbeit der Großen Koalition auswirken?
Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt ja weiterhin im Amt als Verteidigungsministerin, zu Recht. Wir werden weiter daran arbeiten, die Ziele des Koalitionsvertrags abzuarbeiten und das Profil der CDU als bürgerliche Partei der Mitte herauszustellen. Außerdem hat es ja bei beiden Koalitionspartnern in dieser Legislaturperiode Wechsel in der Parteiführung gegeben, ohne dass dies Auswirkungen auf die Große Koalition hatte. Wir müssen unsere Arbeit tun, dafür sind wir gewählt und im Amt.