Erhält für seinen Aussagen über das Grundrecht auf Asyl heftigen Gegenwind - auch aus den eigenen Reihen: Friedrich Merz. Foto: dpa
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Friedrich Merz rudert gleich wieder eilig zurück: "Ich stelle das Grundrecht auf Asyl selbstverständlich nicht in Frage", stellt der CDU-Politiker am gestrigen Donnerstag klar. Schließlich mache die Union "Politik aus christlicher Verantwortung und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Merz ist um Schadensbegrenzung bemüht, will die Wogen schnell wieder glätten und reagiert auf die heftigen Reaktionen auf seinen Vorstoß, das Grundrecht auf Asyl auf den Prüfstand zu stellen. Am Tag danach ist er um Schadensbegrenzung bemüht und reagiert auf die Welle der Empörung.
Am Abend zuvor hatte Merz noch beim Wettbewerb der drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz im thüringischen Seebach eine politische Bombe gezündet: "Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen hat", hatte Merz am Mittwochabend bei der Kandidatenkür auf der dritten Regionalkonferenz in Eisenach erklärt und stellte dies in Frage. Er sei schon seit langer Zeit der Ansicht, "dass wir bereit sein müssten, über dieses Asylgrundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wollen", forderte Merz eine Debatte. Gestern dann der Rückzieher unter dem Eindruck der heftigen Reaktionen. Deutliche Kritik auch aus den eigenen Reihen, Applaus dagegen von der AfD.
Merz-Rivalin Annegret Kramp-Karrenbauer verweist auf die Grundsätze der Christdemokraten: "Das Asylrecht wurde aus gutem Grund so in unserem Grundgesetz verankert", erinnert sie. Kein geringerer als Helmut Kohl habe einst klargestellt: "Diejenigen, die einen Kahlschlag planen, können das nicht mit der CDU machen", so Kramp-Karrenbauer. "Die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, oder eine Einschränkung, das halte ich mit dem Wesenskern der CDU und dem Erbe Helmut Kohls nicht vereinbar", stellt sie sich gegen Merz und seinen umstrittenen Vorschlag. Am Grundgesetz sollte man "nicht leichtfertig herumschrauben",
Deutlicher Widerspruch gestern auch von Mitbewerber Jens Spahn: Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte sei "vor dem Hintergrund zweier Weltkriege, von großem Leid und Vertreibungen eine große Errungenschaft unseres Grundgesetzes", stellte sich auch der Gesundheitsminister gegen Merz. Mächtig Gegenwind und kaum Rückendeckung für den früheren Unionsfraktionschef - für Michael Brand, den menschenrechtspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, hat Merz‘ Vorschlag "null Aussicht auf Erfolg". Auch Charlotte Knobloch, frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden und Präsidentin der Israelitische Kultusgemeinde übt Kritik: "Das Grundgesetz teilt diese Ansicht und schützt das Recht auf Asyl. Auch wenn die politischen Diskussionen rund um das Thema heute wieder aktuell sind und offensichtliche Missstände benannt und abgestellt werden müssen, wären wir gut beraten, am Grundsatz des Asylrechts nicht zu rütteln."
Artikel 16a Grundgesetz garantiert politisch Verfolgten in Deutschland Asylrecht. Jeder, der deutsches Staatsgebiet betritt, hat danach Anspruch darauf, dass sein Asylgesuch geprüft wird. Zwar wurden Asylverfahren in der Vergangenheit beschleunigt, im Zuge des so genannten Asylkompromisses 1993 deutlich eingeschränkt, doch am Grundrecht war bisher nie gerüttelt worden.
Merz‘ Angriff auf das Asylrecht ist politischer Sprengstoff. Heftige Reaktionen auch von Koalitionspartner SPD und aus den Reihen der Opposition: Vizekanzler Olaf Scholz nannte es "ärgerlich, dass der unionsinterne Popularitätswettbewerb auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird", so der SPD-Politiker im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. "Die SPD werde den Grundgesetzartikel 16a vehement verteidigen", sagte Scholz.