Noch qualmen die Kohlekraftwerke – doch bald sollen sie vom Netz gehen. Foto: dpa
Von Claus Haffert
Berlin. Der schrittweise Abschied vom Kohlestrom in Deutschland beginnt: Zum 1. Januar 2021 stellen nach dem Fahrplan des Kohleausstiegsgesetzes die ersten Kraftwerke die Produktion ein. Bei der besonders klimaschädlichen Braunkohle ist zunächst nur ein kleiner Kraftwerksblock dabei. Schneller erfolgt der Einstieg in den Ausstieg bei der Steinkohle, denn sechs leistungsstarke Kraftwerksblöcke werden heruntergefahren.
Spätestens 2038 soll wegen des Klimaschutzes ganz Schluss sein mit der Stromgewinnung aus Kohle. Die Regierung will bis dahin mehrfach die Folgen des Kohleausstiegs auf die Versorgungssicherheit und die Entwicklung der Strompreise überprüfen. Denn bis Ende 2022 wird auch das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet. Untersucht werden soll auch, ob der Kohleausstieg auf 2035 vorgezogen werden kann.
Viele Betreiber sei bereit, ihre Steinkohlekraftwerke vorzeitig zu schließen, so Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Konkret gingen 4,7 Gigawatt Steinkohle aus dem Markt. "Das übersteigt die Erwartungen, die viele beim Abschluss der Kohlekommission hatten."
Insgesamt scheiden nach neuen Zahlen der Bundesnetzagentur bis Ende 2023 rund 19 Gigawatt konventionelle Kraftwerkskapazität aus dem Strommarkt aus. Dazu gehören die verbliebenen Kernkraftwerke (rund acht Gigawatt), die bis Ende 2022 abgeschaltet werden. Nicht mehr zur Verfügung stehen dann auch Braunkohleblöcke (mehr als zwei Gigawatt), die noch in einer Sicherheitsbereitschaft sind. Über das Kohleausstiegsgesetz fallen zudem neun Gigawatt weg. Ein Teil dieser Anlagen könnte laut Netzagentur auf einen anderen Brennstoff umgerüstet werden.
Die ersten Schritte auf dem Weg zum Kohleausstieg werden vor allem in Nordrhein-Westfalen gemacht, wo vier Kraftwerksblöcke zum Jahreswechsel die Stromproduktion einstellen. Hinzu kommt das seit langem umstrittene Hamburger Steinkohlekraftwerk Moorburg. Es ist erst seit 2015 am Netz und eines der modernsten Kraftwerke in Deutschland. Endgültig eingemottet werden können diese Kraftwerke ab Juli. Bis dahin wird noch geprüft, ob sie für Notsituationen in Reserve bleiben müssen.
"Der Kohleausstieg in Deutschland nimmt Fahrt auf", kommentierte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Abschaltungen. Deutlich zurückhaltender bewertet Patrick Graichen, Direktor des Energie-Thinktanks Agora Energiewende, die Abschaltungen. Die fünf Gigawatt sähen "zunächst nach viel aus". Der Klimaeffekt werde aber überschaubar sein, "denn viele der Kraftwerke waren zuletzt gar nicht mehr oft in Betrieb". Die Entschädigungszahlungen an die Betreiber von Kohlekraftwerken könnten deutlich kleiner sein, moniert Graichen. "Steinkohlekraftwerke sind inzwischen so unwirtschaftlich, dass sie vielfach auch ohne Entschädigung vom Netz genommen würden."