Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l.) begrüßt den früheren DDR-Bürgerrechtsaktivisten Erwin Killat und dessen Frau Waltraut. Foto: dpa
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Der Messerangriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die Attacke gegen den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, und schließlich der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke – es sind vor allem die spektakulären Taten, die die wachsende Gefahr deutlich machen. Doch zeigt eine aktuelle Umfrage, dass Gewalt gegen Kommunalpolitiker inzwischen alltäglich geworden ist und weiter stark zugenommen hat. 64 Prozent der Bürgermeister in Deutschland sind danach schon einmal angegriffen, beschimpft, beleidigt und bedroht worden, wie die Erhebung der Zeitschrift "Kommunal" unter 2494 Stadtoberhäuptern ergeben hat. Jeder Zweite davon erlebte das bereits mehrfach. Im vergangenen Jahr waren mit 41 Prozent noch deutlich weniger Amtsträger Opfer solcher Angriffe geworden. Und waren diese Gewalttaten lange Zeit vor allem ein Phänomen in Großstädten, nehmen sie jetzt offenbar auch im ländlichen Raum und in kleinen Gemeinden zu. Da wird gepöbelt, gedroht, gespukt und geschlagen.
Die Angst in den Rathäusern, Amtsstuben und Bürgerbüros nimmt zu. Laut den Ergebnissen der Umfrage folgen auf Hasszuschriften und Morddrohungen immer häufiger auch körperliche Gewalttaten gegen Politiker und städtische Mitarbeiter in den Kommunen. Auch Polizisten und Rettungskräfte werden immer wieder und immer häufiger Opfer von Angriffen.
Die Folge der Attacken auf Politiker: Die Zahl der Bewerber für die Kommunalparlamente geht seit Jahren deutlich zurück. Das gilt auch für die Zahl der Bürgermeister, von denen immer weniger bereit seien, unter diesen Bedingungen noch weiter zu kandidieren.
Wegen der Angriffe und Bedrohungen wollen sie nicht weiter in der Politik bleiben und nicht mehr kandidieren. Auffällig jedoch, dass trotz der steigenden Bedrohung nur fünf Prozent der Bürgermeister angeben, dass sie der Grund für ihren Rückzug sei.
Alarmstimmung herrscht auch beim Städte- und Gemeindebund. "Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, die zeigt, dass wir alles dafür tun müssen, diese Taten zu stoppen", warnt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Nur wenn die immer weiter zunehmende Gewalt eingedämmt werde, könne man in Deutschland auch in Zukunft noch Menschen finden, die bereit seien, sich vor Ort für das Gemeinwohl zu engagieren.
Bundespräsident Frank-Walter Stein-meier hatte bereits in der Vergangenheit immer wieder vor dieser Entwicklung gewarnt und auf die wachsende Bedrohung von Kommunalpolitikern aufmerksam gemacht. Sie dürften "nicht zum Fußabtreter der Frustrierten" werden, sagte er am Dienstag bei einer Diskussion mit Bürgermeistern und Stadträten in Zwickau. "Wir brauchen all die Menschen, die bereit sind, Verantwortung vor Ort zu tragen. Sie sind das Fundament, auf dem das Gebäude der Demokratie ruht", so der Bundespräsident. Immer schwierigere Arbeitsbedingungen für Kommunalpolitiker bis hin zu körperlichen Attacken – Steinmeier beklagt ein Klima der Empörung und Enthemmung, der Herabsetzung und Hetze. Dies dürfe nicht länger hingenommen werden, die schweigende Mehrheit müsse jetzt laut werden, forderte er. "Niemand darf mehr sagen: Das betrifft mich nicht. Und niemand darf mehr schweigen."
Bund und Länder hatten zuletzt nach der Serie von Anschlägen ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen Hass, Gewalt und Rechtsextremismus auf den Weg gebracht, das auch den Schutz von Kommunalpolitikern verbessern soll. Landsberg fordert eine schnelle und umfassende Umsetzung. "Bund, Länder, Polizei und Justiz haben bereits einiges auf den Weg gebracht, um Hass, Hetze und Übergriffe zu stoppen. Aber wir werden da noch mehr tun müssen", sagte er. "Wichtig ist auch, dass wir diese Taten mit aller Konsequenz verfolgen und ahnden."