Plus Umweltbilanz

Wie grün ist der Tofuburger wirklich?

Die Umweltbilanz veganer Lebensmittel. Bewusster Konsum oft sinnvoller als Extremforderungen.

26.08.2023 UPDATE: 26.08.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 33 Sekunden
Marinierter Tofu. Archivfoto: dpa

Von Joris Ufer

Heidelberg. Ob Seitanbratlinge, Tofuburger oder ein klassischer Obstsalat – Vegan liegt im Trend. Für viele Menschen ist das Tierwohl der Grund. Aber auch vor dem Hintergrund des Klimawandels wird der Verzicht auf tierische Produkte beliebter. 14,5 Prozent aller Treibhausgasemissionen stammen laut Zahlen der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO aus der Tierhaltung. Wie grün jedoch Früchte vom anderen Ende der Welt und hoch verarbeitete Ersatzprodukte – industriell und mit vielen künstlichen Zusatzstoffen gefertigt – sein können, wird heiß diskutiert.

Es ist die Gretchenfrage der Ernährungswende – ist eine vegane oder vegetarische Lebensweise nun prinzipiell besser für die Umwelt? Die kurze Antwort: Ja. Am Ende ist es aber doch komplizierter, wie Guido Reinhardt weiß. Er ist Fachbereichsleiter für Biomasse und Ernährung am "Institut für Energie- und Umweltforschung" (Ifeu) in Heidelberg. "Fleisch und Milchprodukte verursachen rund die Hälfte aller Umweltbelastungen", erklärt der Forscher. "Jedes Kilogramm Fleisch und jeder Liter Milch, die weniger gegessen und durch vegane Produkte ersetzt werden, helfen der Umwelt grundsätzlich."


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Doch ein häufiger Einwand bezieht sich auf das zur Herstellung vieler Ersatzprodukte notwendige Soja. Das kann sich nämlich extrem belastend für die Böden der Anbauflächen auswirken, wenn es in konventionellen Monokulturen angebaut wird. Dafür werden in Südamerika immer wieder Regenwaldflächen gerodet. Der unmittelbare menschliche Konsum fällt dabei aber kaum ins Gewicht. Laut einer Studie des "World Wide Fund For Nature" (WWF) von 2021 werden 96 Prozent der Sojaanbaufläche nur für Futterproduktion und somit die Erzeugung tierischer Nahrungsmittel genutzt. Reinhardt erklärt: "Wenn man jetzt die Fleischproduktion reduzieren würde, stünde dieses Soja als vegetarisches Lebensmittel für Menschen zur Verfügung. Weiterer Regenwald müsste demnach sicher nicht abgeholzt werden, wenn mehr Leute vegetarisch leben würden."

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Denn nicht allein CO2-Emissionen verursachen die schlechte Umweltbilanz tierischer Lebensmittel. "Auch der Flächenverbrauch für die Futtermittel ist riesig. Zudem ist dafür oft auch eine künstliche Bewässerung der Felder nötig", so der Wissenschaftler. Beides ließe sich verringern, würden mehr Menschen zu veganen Lebensmitteln greifen.

Der Transport hingegen spielt laut dem Forscher nur eine geringe Rolle für Klima- und Umweltbilanz – außer in zwei Bereichen: "Da sind zum einen Lebensmittel, die eingeflogen werden, wie etwa Papayas", sagt Reinhardt. "Die haben eine zehnfach schlechtere Bilanz, als wenn Importlebensmittel mit Schiffen transportiert werden." Verbraucher können solche Flugware im Supermarkt häufig am Etikett erkennen.

Das zweite seien Einkaufsfahrten. Wer mit dem Auto eine längere Strecke zum Hofladen zurücklege, um einige Kilogramm Erdbeeren, Spargel und Kartoffeln zu kaufen, belaste die Umwelt damit mehr als deren Produktion. "Alle anderen Transporte – ob regional oder überregional – spielen dabei eine untergeordnete Rolle."

Aber wie ökologisch ist nun das vegane Cordon bleu mit seiner langen Liste von Zusatzstoffen? "Aus reiner Umweltsicht sind verarbeitete Lebensmittel nicht schädlicher", analysiert Reinhardt. "Die Lebensmittelindustrie ist hocheffizient. Da wird sehr wenig verschwendet und Reststoffe wandern in Biogasanlagen." Das Kriterium hoch verarbeitete Lebensmittel habe in der reinen Umweltdiskussion nichts verloren.

Einer der wichtigsten Hebel für die Ernährungswende hat indes gar nichts damit zu tun, ob es sich um ein tierisches oder veganes Lebensmittel handelt: übermäßige Verschwendung. "Wenn Nahrungsmittel erst einmal gekocht sind und dann weggeschmissen werden, verliert man nicht nur das Essen selbst", erklärt Reinhardt. "Dann wird nämlich auch die Energie verschwendet, die für Kühlung, Zubereitung und Transport angefallen ist."

Und was ist nun mit jenen, die etwas für die Umwelt tun möchten, ohne komplett auf das gelegentliche Schnitzel oder den leckeren französischen Käse zu verzichten? Rund zwölf Prozent der Deutschen sehen sich aktuell als Flexitarier – eine Esskultur, die sich weitgehend auf vegetarische und vegane Produkte fokussiert, ohne den bewussten und sparsamen Konsum tierischer Nahrungsmittel auszuschließen. "Solche ausgewogenen Ansätze halte ich für überaus sinnvoll", resümiert Reinhardt. "Das haben wir auch in unseren Ifeu-Leitlinien für eine nachhaltige Ernährung deutlich gemacht: Wer weniger Fleisch und Milchprodukte zu sich nimmt, tut der Umwelt schon einen großen Gefallen." So ein bewusster Konsum könne am Ende mehr helfen als viele Extremforderungen.

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