Antony Blinken – Der Bilderbuch-Diplomat
Blinken ist seit 2021 Außenminister der USA. Für Israel und die Ukraine hat er sich als starker Fürsprecher etabliert.

Von Joris Ufer
Washington. Als Antony Blinken im November 2020 als Außenminister der designierten Biden-Regierung nominiert wurde, war die Erleichterung auf der anderen Seite des Atlantiks groß. Nach dem chaotischen Kurs der Trump-Jahre sahen die Verbündeten der USA der Amtszeit eines Bilderbuch-Diplomaten entgegen: ein erklärter Multilateralist, außenpolitisch erfahren und noch dazu fließend im Französischen. Nun, drei Jahre später, befindet sich die Welt im Dauerkrisenmodus – und Blinken sich auf einem Verhandlungsmarathon zwischen Osteuropa und dem Nahen Osten.
Geboren wurde Antony John Blinken 1962 in der New Yorker Vorstadt Yonkers als Sohn jüdisch-amerikanischer Eltern. Sein Vater war erfolgreicher Finanzinvestor, die Mutter in der Kunstszene des Big Apple aktiv. Dass sich die beiden scheiden ließen, legte den Grundstein für sein Leben als Kosmopolit: 1971 zog er mit seiner Mutter Judith und deren zweitem Ehemann Samuel Pisar nach Paris. Die Beziehung zu seinem Stiefvater sollte den jungen Blinken prägen. Der Holocaust-Überlebende Pisar war ein Intellektueller, Anwalt und Berater des langjährigen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing. Über ihn lernte Blinken internationale Berühmtheiten wie John Lennon oder den Künstler Christo kennen.
Zum Studium ging Blinken zurück in die Vereinigten Staaten. An den Elite-Universitäten Harvard und Columbia erwarb er sich Abschlüsse in Jura und Politik. Sein Staatsdienst begann 1993 unter der Regierung von Bill Clinton als Assistent im Außenministerium. Von dort schaffte es Blinken in den Nationalen Sicherheitsrat, das außenpolitische Beratungsgremium des US-Präsidenten, wo er sich einen Namen machte. Als Personaldirektor im Senatsausschuss für Außenpolitik begann 2002 seine Zusammenarbeit mit Joe Biden, dem er 2009 als Berater des Vizepräsidenten ins Weiße Haus folgte. In Obamas zweiter Amtszeit stieg er zum stellvertretenden Außenminister auf. Als 2017 Donald Trump ins Oval Office gewählt wurde, zog der Demokrat sich aus dem Staatsdienst zurück. Im Zuge des Wahlkampfs 2020 wurde er wieder Berater Bidens – und nach dessen Sieg Außenminister.
Während sein Chef dafür bekannt ist, auch mal mit improvisierten Äußerungen oder einem Aussetzer übers diplomatische Parkett zu schlittern, bewegt Blinken sich darauf stets trittsicher. Dagegen schlugen ihm nach dem desaströsen Abzug der USA aus Afghanistan 2021 sogar Rücktrittsforderungen entgegen.
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Im Jahr darauf stellte ihn eine weitere Krise vor bislang nicht gekannte Herausforderungen. Während des Ukrainekriegs etablierte sich der oberste US-Diplomat als vehementer Fürsprecher des angegriffenen Landes. Die Solidarität geht so weit, dass sich sein kleiner Sohn beim diesjährigen Halloween im Weißen Haus als Wolodymyr Selenskyj und seine Tochter in den Farben der ukrainischen Flagge verkleidete. Seit 2002 ist der 61-jährige Blinken mit der heutigen Kabinettssekretärin des Weißen Hauses, Evan Ryan, verheiratet.
Und auch im Gaza-Krieg gelingt es Blinken als glaubwürdiger Verbündeter Israels aufzutreten – nicht zuletzt wegen seines eigenen jüdischen Hintergrunds. Gerade beim aktuellen internationalen Klima dürfte man sich dort über den mächtigen Verbündeten freuen. "Sie sind vermutlich auch allein stark genug, sich zu verteidigen", sagte Blinken bei einem Israel-Besuch nach dem Angriff der Hamas, "aber solange es Amerika gibt, werden Sie das niemals müssen."