Helmut Schmidt inmitten der Familie Schleyer beim Trauergottesdienst 1977. Foto: dpa
Anschlag weckt Erinnerungen an den RAF-Terror
Von Caroline Bock
Berlin. Die Sturmflut in Hamburg, die Ölkrise, der RAF-Terror: Helmut Schmidt (1918-2015) war in den 60er und 70er Jahren ein Politiker der Krisenzeiten. Die Haltung der BRD, sich den Terroristen nicht zu beugen, kostete Menschenleben. Schmidt hat das sehr geschmerzt.
Nach dem Anschlag in Berlin klingt eine seiner Reden wieder aktuell. "Sie mögen in diesem Augenblick ein triumphierendes Machtgefühl empfinden. Aber sie sollen sich nicht täuschen. Der Terrorismus hat auf die Dauer keine Chance", sagte der SPD-Politiker 1977 mit Blick auf die RAF. Die Epoche heißt "Deutscher Herbst" oder, in Umdeutung eines Wortes über die Adenauer-Ära, "die bleierne Zeit".
Dieser Begriff macht jetzt wieder die Runde. Die Fernsehmoderatorin Sandra Maischberger befragte in ihrer Sendung den RAF-Experten Stefan Aust zum Kampf gegen den heutigen Terror. "Ich fürchte, das wird sehr, sehr lange dauern", so Aust. Die RAF (Rote Armee Fraktion) sei eine rein deutsche Organisation gewesen mit einigen Kontakten unter anderem nach Palästina - und es habe sie 28 Jahre gegeben. Also lange.
Viel globaler und größer ist die Terrororganisation Islamischer Staat, die den Lkw-Anschlag an der Berliner Gedächtniskirche für sich reklamiert hat. Schon vorher hat es in der Nachkriegszeit blutige Attacken gegeben, aber nicht in dieser Dimension - sieht man von einer Rohrbombe auf dem Oktoberfest 1980 ab, die 13 Menschen tötete. Dies gilt als schwerster rechtsradikaler Anschlag in der bundesdeutschen Geschichte.
Das war vor dem Mauerfall 1989, damals mit Hoffnung auf eine friedlichere Welt verbunden. Dann kamen die Anschläge vom 11. September, der Krieg gegen den Terror, die Bankenkrise.
Und nun die aktuellen Fälle. Ob die Kölner Silvesternacht, der Mordfall in Freiburg oder der Anschlag in Berlin: Der heutigen Kanzlerin Angela Merkel wird von Rechts immer wieder vorgehalten, sie sei für Verbrechen verantwortlich, die Fremden angelastet werden. Liberalere Wähler sehen es so: Unter den Flüchtlingen sind auch Kriminelle, die die friedliche Mehrheit unter Pauschalverdacht bringen.
Doch Merkel ist in einer anderen Lage als damals Helmut Schmidt. Der RAF-Terror traf eher Personen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft sowie deren Umfeld. Der Historiker Constantin Goschler von der Uni Bochum hält daher Vergleiche für unpassend. "Heute kann es potenziell jeden treffen." Wenn er für unsere Epoche einen Namen wählen müsste, wäre das eher: "Die hilflose Zeit".