Heidelberg

Bald wird gerettet, was zu retten ist

Die EU plant ein Recht auf Reparatur. Hersteller sollen für Ersatzteile in die Pflicht genommen werden. Berichterstatter René Repasi erklärt die Richtlinie.

29.10.2023 UPDATE: 29.10.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden
Viele Geräte wandern in den Müll, obwohl sie eigentlich noch zu retten wären. Mit einer neuen Richtlinie will die Europäische Union Reparatur Vorrang vor dem Neukauf geben. Foto: dpa

Von Joris Ufer

Heidelberg. Wenn Smartphones, Fernseher oder Mikrowellen defekt sind, landen sie meist direkt auf dem Wertstoffhof. Die Reparatur wäre schließlich viel teurer und umständlicher, als einfach ein neues Gerät zu kaufen – zumindest legen manche Unternehmen diesen Schluss nahe. Die EU will das ändern und ein "Recht auf Reparatur" festschreiben. René Repasi ist Europaabgeordneter für die SPD und begleitet den Entwurf für das neue Gesetz als Berichterstatter durch den Verhandlungsprozess im Parlament.

Was bringt ein Recht auf Reparatur? "Ich denke, dass jeder schon Erfahrungen damit gemacht hat, wenn Reparaturen nicht möglich waren und man sich ärgerte", erklärt Repasi. "Mit dem Recht auf Reparatur kann man dann zum Hersteller gehen und die Reparatur verlangen – und der darf das nicht zurückweisen." Möglich sein soll das allerdings nur bei einer konkreten Liste von Gütern, die als reparierbar gelten. Dazu zählen bislang vor allem elektronische und Haushaltsprodukte wie Smartphones oder Spülmaschinen. Repasi will die Liste aber auch um andere Produkte wie etwa Fahrräder erweitern. Zudem schätzt die Kommission, die den ursprünglichen Entwurf im März eingebracht hat, dass die Richtlinie 4,8 Milliarden Euro an Wachstum und Investitionen für die EU generieren könnte.

Wer wird für die Reparatur zuständig sein? Verbraucher mit kaputten Waren könnten sich entweder an den Hersteller oder einen unabhängigen Handwerksbetrieb wenden. "Heutzutage ist das Problem, dass Reparatur bei manchen Produkten relativ teuer wird", erklärt Repasi. "Das liegt allerdings weniger an den Handwerkerkosten als an hochpreisigen Ersatzteilen". Auch hier soll das Recht auf Reparatur Abhilfe schaffen. Hersteller könnten verpflichtet werden über einen gewissen Zeitraum Ersatzteile vorzuhalten. Auch über Baupläne für 3D-Drucker soll der Zugang dazu vereinfacht werden. Zudem kann eine Reparatur laut Entwurf die Gewährleistung verlängern.

Könnten die neuen Regeln den Wettbewerb verzerren? "Unternehmen, die über Reparaturinfrastruktur verfügen, stehen im Wettbewerb mit solchen, die das nicht tun", sagt der Berichterstatter. "Deshalb sind Firmen, deren Geschäftsmodell darauf aufbaut, Geräte alle zwei Jahre auszutauschen, mit der Richtlinie natürlich nicht so glücklich." Auf diese Weise werde nun aber ein Wettbewerbsnachteil für Hersteller beseitigt, die schon jetzt auf Langlebigkeit setzen.

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Wer definiert, wann eine Reparatur unmöglich ist? Bislang gibt es dazu keine eindeutigen Regelungen. Ob ein Gerät noch zu retten ist, werden im Streitfall die Gerichte der einzelnen Länder entscheiden müssen. "Die Grenzen des Begriffs der Unmöglichkeit beschäftigen schon seit über 100 Jahren die Zivilgerichte", erklärt Repasi, der auch Professor für Rechtswissenschaften ist. "Wir haben dafür also Rechtsprechung – nur noch nicht für den ganz konkreten Fall."

Ist das Recht auf Reparatur auch ein Zwang dazu? Nach dem Vorschlag der EU-Kommission wären Verbraucher verpflichtet, im Garantiefall die Reparatur zu wählen, wenn diese kostengünstiger ist als das neue Produkt. Repasi und andere Parlamentarier setzen sich aber auch für Ausnahmen ein, wenn sonst erhebliche Unannehmlichkeiten drohen. "Ein gutes Beispiel ist eine Mutter, die Milch abpumpt und dann geht das Pumpgerät kaputt", führt der EU-Abgeordnete aus. "Da ist die Reparatur vielleicht günstiger, aber es wäre für Verbraucherinnen sehr unangenehm, darauf zu warten." Aus diesem Grund solle der Vorrang der Reparatur ein Stück weit relativiert werden.

Wie könnten sich die Maßnahmen auf die Umwelt auswirken? Durch entsorgte Produkte, die eigentlich noch reparierbar wären, fallen in der EU laut Kommission jedes Jahr 35 Millionen Tonnen Abfall, 30 Millionen Tonnen verschwendeter Ressourcen und 261 Millionen Tonnen CO2-Emissionen an. Hier könnte also deutlich eingespart werden. "Es geht auch darum, dass wir in einer Wegwerfgesellschaft leben und das zu Recht von vielen als falsch betrachtet wird", sagt der Berichterstatter. "Da brauchen wir gewisse Hebel, damit unser Wachstum nicht auf Kosten der Umwelt geht und wir stattdessen wieder langlebige Produkte bekommen." Das sei ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel und hin zu mehr Kreislaufwirtschaft.

Wann kommt das Recht auf Reparatur? Am Mittwoch passierte der aktuelle Entwurf mit großer Zustimmung den Parlamentsausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und soll im November durch das Plenum bestätigt werden. Danach geht er in den sogenannten Trilog, wo Vertreter der Europäischen Kommission, der Mitgliedsstaaten und Mitglieder des Parlaments wie Repasi einen Kompromiss aus den unterschiedlichen Vorstellungen aushandeln. "Die Ambition von allen Beteiligten ist, dass wir den Trilog bis Ende Februar abschließen", sagt Repasi. "Dann könnten wir das Gesetz noch vor der Europawahl bekommen." Danach sieht die Kommission eine Umsetzung innerhalb von zwei Jahren vor. Da die Richtlinie aber von den Ländern noch jeweils in nationales Recht überführt werden muss, liegt es an ihnen, wann das Recht auf Reparatur wirklich kommt.

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