Plus Fünf Thesen im Faktencheck

Womit Klimawandelleugner Zweifel säen

CO₂ aus fossilen Quellen hat eine eigene Signatur.

19.08.2023 UPDATE: 19.08.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 14 Sekunden
Wegen des Klimawandels könnten schon ab Mitte des Jahrhunderts Schiffe das vormals vereiste Nordpolarmeer befahren. Am Südpol ist das Eis noch stabiler – doch nicht mehr lange, wie Forscher fürchten. Foto: dpa

Von Joris Ufer

Heidelberg. Überall ringen Regierungen um Maßnahmen gegen die menschengemachten globale Erwärmung. Trotzdem gibt es weiter Versuche, die Klimakrise zu leugnen. Teils können Laien nur schwer erkennen, was seriöse Forschung ist. Hendrik Fuchs ist stellvertretender Direktor am "Institut für Energie- und Klimaforschung: Troposphäre" des Forschungszentrums Jülich. Er klärt über fünf verbreitete Falschbehauptungen auf.

> Der Temperaturanstieg ist weit geringer als behauptet und daher unproblematisch. Gerne werden zum Beleg dieser Behauptung auch Satellitendaten wie zum Beispiel jene der "University of Alabama" vom Mai 2023 herangezogen. Aus deren grafischer Auswertung geht ein durchschnittlicher Temperaturanstieg von nur 0,13 Grad Celsius pro Jahrzehnt seit 1979 hervor. Also alles nicht so schlimm wie gedacht? "Diese Grafik und die Messwerte darin sind an sich erst einmal völlig korrekt", erklärt Fuchs. Zur Entkräftung des 1,5-Grad-Ziels taugten sie aber nicht. "Hier werden völlig falsche Punkte miteinander verglichen. Diese Satellitenmessungen geben nämlich Aufschluss über die Durchschnittstemperatur der Atmosphäre, also vom Erdboden bis in acht Kilometer Höhe." Und weiter oben werde es eben kälter. Für die Auswirkungen der Erwärmung seien aber Temperaturen in Bodennähe entscheidend.

> Das arktische Eis ist stabil und das antarktische wächst sogar an. Tatsächlich geht das Eis aufgrund des Klimawandels sogar so schnell zurück, dass Reedereien ab Mitte des Jahrhunderts mit neuen Schiffsrouten in den Polarregionen planen. Allerdings verändern Nord- und Südpol sich unterschiedlich schnell. "In der Arktis haben wir es mit Eis zu tun, das von Wasser unterspült wird, während es in der Antarktis auf dem Erdboden liegt", so Fuchs. "Weil Wasser eine höhere Temperatur hat als Eis, schmilzt die Arktis wesentlich schneller." In der Arktis gab es am 16. August 2023 laut vom "Norwegian Meteorological Institute" analysierten Satellitendaten 3,9 Millionen Quadratkilometer Meereisfläche – 27,2 Prozent weniger als der Durchschnitt zwischen 1981 und 2010.

> Die Sonne bewirkt seit jeher Klimaveränderungen und aktuell herrscht eine Wärmephase. "Dass die Zyklen der Sonne Einfluss auf das Klima haben, ist zunächst nicht falsch. Allerdings sprechen wir da von völlig anderen Zeitskalen", so der Forscher. Klimarelevante Veränderungen der Sonnenstrahlung gebe es innerhalb Hunderttausender Jahren. "Seit Beginn der Industrialisierung sehen wir einen rapiden Temperaturanstieg, wie er in den vergangenen Jahrmillionen nie stattgefunden hat", erklärt Fuchs. Im Durchschnitt mehr als ein Grad Celsius sind es bereits.

> CO2 ist nicht schädlich, sondern ein natürlicher Bestandteil der Biosphäre. Viele Versuche haben nachgewiesen: CO2 absorbiert Infrarotstrahlung. Und je weniger langwellige Wärmestrahlung in den Weltraum entweicht, desto stärker heizt sich die Erde auf. Aber könnte das Gas dort oben nicht natürlichen Ursprungs sein? "Alle fossilen Brennstoffe gehen auf die Überreste alter Pflanzen zurück und haben deshalb eine klare Signatur. Kohlenstoff kann nämlich verschieden schwer sein und Pflanzen entnehmen der Luft durch Photosynthese präferiert den leichteren Kohlenstoff", erklärt Fuchs. "Das CO2 in der Atmosphäre ist über die letzten 150 Jahre leichter geworden." Das zeige, dass es auf Brennstoffe aus fossilen Pflanzenresten zurückgehen müsse – und nicht auf natürliche Prozesse.

> Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel. Als wissenschaftlicher Konsens wird die weitgehende Übereinstimmung innerhalb eines Fachkreises auf einer soliden Basis von Belegen bezeichnet. "Mir ist tatsächlich kein anderer Kontext bekannt, in dem so viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam Fakten zusammentragen wie beim Weltklimarat (IPCC)", sagt Fuchs. "Am letzten IPCC-Report waren etwa 750 Autorinnen und Autoren beteiligt, die insgesamt 65.000 Studien herangezogen und bewertet haben." Zudem seien rund 200 000 wissenschaftliche Kommentare. berücksichtigt worden. Die Ergebnisse bestätigen die Gefahren des Klimawandels. "Wenn das kein Konsens ist, weiß ich nicht, was dieser Begriff noch bedeuten soll", resümiert der Forscher.


So streikte die Region fürs Klima

Heidelberg. (jus/cab/jul/schat/tt) Fünf Jahre Klimaprotest – auch in der Region streikten die Menschen für das Klima und bildeten sich Ortsgruppen von Fridays for Future. Zuletzt demonstrierten am 3. März 2023 Tausende von Mosbach bis Weinheim und von Wiesloch bis Heidelberg. Eine Auswahl vorheriger Proteste:

> In Mannheim zogen am 12. April 2019.1300 Schüler durch die Innenstadt. Der Ärger war hier groß, nachdem Eltern von demonstrierenden Jugendlichen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums im Mannheim wegen Schuleschwänzens zu Bußgeldern verdonnert werden sollten. Die Stadtverwaltung lenkte letztlich ein.

> In Heidelberg demonstrierten erstmalig um die 800 Menschen am 22. Februar 2019 Menschen für mehr Klimaschutz. Am 15. März 2019 gingen schon knapp 2500 auf die Straße. Ein halbes Jahr später, am 20. September 2019, folgte Heidelbergs größte Demo mit 10.000 Menschen. Ein Teilnehmerrekord, der alle Erwartungen der Organisatoren übertraf.

> In Mosbach fand die erste Klimademo im September 2019 statt. Mehr als 600 Menschen kamen auf dem Marktplatz zusammen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Es folgten kleinere Veranstaltungen in den Jahren 2020 und 2021, im Spätsommer 2022 gingen nochmal mehr als 500 Menschen auf die Straße.

> In Wiesloch hat die Ortsgruppe von Fridays for Future verschiedene Protestformen ausprobiert: Neben Demonstrationen zu Fuß und auf dem Rad wurde im Oktober 2021 ein Teil der Schlossstraße gesperrt, um zu zeigen, wie lebenswerte Innenstädte aussehen könnten. Kurz nach der Gründung der Gruppe riefen die Jugendlichen 2019 auch zum Müllsammeln im Naturschutzgebiet "Frauenweiler Wiesen" auf. In diesem und im letzten Jahr wurde im Gerbersruhpark das Festival for Future von der Gruppe organisiert.

> In Hockenheim fand der erste Klimastreik am 19. Juli 2019 statt. Auch hier forderten Schüler mehr Klimaschutz.

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