Eine Muslimin mit Prinzipien: Ikram Outtaleb steht für das Kopftuch ein. Foto: Rothe
Von Benjamin Auber
Heidelberg. Normalerweise fällt die 17-jährige Ikram Outtaleb ihre Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus. Doch als vor gut einem Jahr eine katholische Kindergartenleiterin im Pfaffengrund sie aufforderte, ihr Kopftuch abzunehmen, sagte sie spontan einfach "Nein".
Ikram, die im kommenden Jahr an der Marie-Baum-Schule in Wieblingen ihr Abitur macht, gab daraufhin ihr zugesagtes einwöchiges Praktikum auf. "Im Rückblick habe ich die richtige Entscheidung getroffen, denn einer respektlosen Handlung, die mich sehr verletzt hat, kann man nur mit einer klaren Haltung begegnen", sagt Ikram.
Die Schülerin lebt mit ihrer marokkanischen Familie im Pfaffengrund. Ihre Mutter ist im Altenheim der Arbeitwohlfahrt angestellt, ihr Vater arbeitet bei der Odenwald-Chemie. Ikram, die wie ihre vier Geschwister in Heidelberg geboren ist, trägt das Kopftuch bewusst seit der fünften Klasse: "Das ist meine freiwillige Entscheidung. Mir das zu verbieten, würde ich als Zwang empfinden." Die 17-Jährige versucht mit ihrem religiösen Symbol - trotz kritischen Tönen - Vorurteilen entschlossen zu begegnen. "Es ist ganz wichtig, Menschen mit Respekt zu behandeln, und das erwarte ich auch von meinem Gegenüber", sagt Ikram.
Die derzeitige Diskussion, die nach dem Kopftuchverbot an Grundschulen und Kindergärten in Österreich auch hierzulande entbrannt ist, sieht Ikram mit Sorge. Nur ein offener Umgang mit allen Religionen helfe, dass sich die Menschen untereinander besser verstehen. "Wenn Kinder sich früh mit dem unterschiedlichen Glauben auseinandersetzen, kann sich echte Toleranz entwickeln", meint die bekennende Muslimin.
Toleranz, die Ikram gefühlt vor allem in den letzten Monaten vermisst. Ein Gang in die Stadt ohne abfällige Kommentare zu ihrem Kopftuch wie "Die Verschleierte soll doch in ihr eigenes Land gehen" ist eher die Ausnahme. "Vor allem, wenn ich über den Bismarckplatz an Parteiständen vorbeilaufe und Passanten wütend auf mich reagieren, bin ich schockiert und traurig", sagt Ikram. Manchmal fragt sie sich, ob die Menschen "keine echten Probleme" haben, wenn tatsächlich an der freien Religionsausübung, wie sie im Grundgesetz steht, ständig gerüttelt wird.
Dem Grundgesetz steht Ikram sehr positiv gegenüber, denn es ermöglicht die Grundlage des friedlichen Zusammenlebens hier in Deutschland. Sie hofft, dass sich wieder mehr Menschen darauf besinnen und es in die Hand nehmen. Kritisch sieht sie allerdings dabei, dass die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Hetze immer mehr verschwimmt. Niemand stehe es zu, sowohl das Grundgesetz als auch den Koran so zu interpretieren, dass Menschen verachtet werden. "Dieser Entwicklung müssen wir entschlossen entgegentreten", sagt Ikram.