2019 war nicht das Jahr der Vanessa Mai. Erstmals geriet die bis dahin so geradlinige Schlager-Pop-Karriere der 27-Jährigen aus Backnang bei Stuttgart ins Stocken, erschöpft und frustriert zog sie sich für eine Weile zurück. Jetzt aber will Mai wieder Boden gut machen. Ihr sechstes Album "Für Immer" ist voller modern produzierter Glückslieder, neben Axel Prahl war sie gerade in ihrem ersten Spielfilm zu sehen, und auch in der Liebe – zu Mann Andreas Feber, den Fans und Mops Ikaro – läuft es grandios. Steffen Rüth traf sich mit der Sängerin in Berlin
Vanessa, du warst gerade an der Seite von Axel Prahl in dem ARD-Drama "Nur mit Dir zusammen" zu sehen. Ist die Schauspielerei jetzt dein zweites Standbein?
Vanessa Mai: Ich plane das nicht. Ich würde auch nicht sagen, dass ich jetzt Schauspielerin bin. Aber ich habe geschauspielert. Mal schauen: Wenn weitere Angebote kommen, die passen, dann sage ich sicher nicht nein.
Hattest du überhaupt Erfahrung als Schauspielerin?
Abgesehen von Auftritten in Schulmusicals nicht. Umso schöner, dass das geklappt hat. Die Rolle war eine große Herausforderung und hat mich auf jeden Fall wachsen lassen.
Worin lag genau die Herausforderung?
Ich spiele zwar eine Sängerin, aber ich weiß Gott sei Dank nicht, wie es ist, todkrank zu sein oder ein zerrüttetes Verhältnis zu seinem Vater zu haben. Die Beziehung zu meinen Eltern war immer ganz toll, wir sind uns sehr nah.
Geht es im Lied "Maisterwerk" auch um deine Eltern und dich? Du singst "Zusammen sind wir ein Maisterwerk".
Nein, "Maisterwerk" ist ein Song für die Fans. Das Stück spiegelt wider, was mir im letzten Jahr alles passiert ist. Obwohl sie gemerkt haben, dass mit mir etwas nicht stimmt, waren die Fans für mich da. Das sind die Menschen, wegen denen ich auf der Bühne stehe.
Was haben die Fans gemacht?
Sie haben mich spüren lassen, dass sie hinter mir stehen. Sie haben mich auf den Weg zurückgeführt, auf dem ich jetzt bin. Ich bin gerade richtig glücklich. Auch, weil ich gelernt habe, dass ich die schönen Momente wirklich genießen muss.
Woran hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Das passiert ein bisschen schleichend. Irgendwann schaust du in den Spiegel und erkennst dich selbst nicht mehr richtig. Man spürt das einfach. Jahrelang ging bei mir in der Karriere alles sehr schnell, irgendwann konnte ich das alles nicht mehr wahrnehmen. Dazu kommt, dass ich teilweise Menschen in meinem Umfeld hatte, die mir nicht gutgetan haben.
Dazu kam 2018 noch ein Bühnenunfall, bei dem du dich am Rücken verletzt hast sowie im vergangenen Jahr eine abgesagte Tournee. Was nimmst du mit aus deiner Krise?
Man braucht nicht viele Menschen um sich herum, aber man braucht ehrliche Menschen. Meine echten Vertrauten kann ich an einer Hand abzählen. Auch lasse ich mich nicht mehr ärgern von den Kleinigkeiten, die mich früher auf die Palme gebracht haben. Mein Fokus liegt auf den positiven Dingen.
Auch für deine Liebsten war das letzte Jahr vermutlich nicht einfach.
Nein. Ich hatte sehr viel mit mir selber zu tun, war häufig gereizt und angespannt. Umso schöner, dass die Menschen bei mir geblieben sind, allen voran mein Mann Andreas.
Na, das gehört sich ja wohl auch, wenn es der Frau nicht so gut geht.
Klar, man erhofft sich natürlich, dass er zu einem steht. Aber während solch einer intensiven Zeit ist das nicht selbstverständlich. Jeder, der so etwas durchsteht, ist danach noch stärker zusammen, noch ehrlicher, noch intensiver. Man kennt sich noch besser.
Hat es zwischen deinem Mann und dir geknirscht?
Natürlich haben wir auch kontrovers diskutiert. Wir haben viel, viel geredet.
Was ist der beste Rat, den du bekommen hast?
Dankbar sein. Ich war nie undankbar, aber man kann sich noch mehr bewusst machen, was man hat, anstatt sich darüber zu ärgern, was man nicht hat. Andreas ist jemand, der sehr bodenständig und geerdet ist, er hat mir in diesen Fragen sehr geholfen.
Ist er bodenständiger als du?
Ich glaube, er ist einfach auch erwachsener als ich. Da merkt man doch die fast zehn Jahre Altersunterschied zwischen uns (lacht).
Wobei du auch schon fast eine alte Häsin bist, oder? "Für Immer" ist bereits dein sechstes Album.
Viele denken, ich wäre schon älter, wenn sie meine Karriere sehen. Ich habe echt Gas gegeben, bin mit 21 angefangen. Aber ich fühle mich noch nicht wie ein alter Hase. Bei mir kribbelt es immer noch, wenn ein neues Album rauskommt oder wenn ich auf die Bühne gehe.
Mal ehrlich, hattest du zwischendurch auch mal komplett die Lust an deiner Arbeit verloren?
Es gab schon Momente, wo ich dachte "Jetzt ist es genug". Ich wollte nie alles hinwerfen, aber ich wollte auch nicht mehr so getrieben sein. Ich wollte wieder diese unbeschwerte Freude beim Singen spüren wie früher. Ich liebe meinen Job nach wie vor.
War es hart, die Tour abzusagen?
Natürlich. Die Enttäuschung war groß, und mir taten meine Fans total leid. Aber wir holen die Tournee im Herbst nach.
War das eigentlich ein Burnout?
Nein, so würde ich das auf keinen Fall bezeichnen. Ich benutze das Wort nicht gerne. Das Leben ist eine Wellenbewegung, und letztes Jahr hat die Welle ein bisschen stärker ausgeschlagen. Jeder von uns erlebt Höhen und Tiefen. Es wäre ja nicht auszuhalten, wenn immer alles toll ist.
Udo Lindenberg läuft jeden Abend eine Stunde, um runterzukommen. Was machst du?
Putzen! Ich bin wirklich gerne Hausfrau.
Info
Vanessa Mai kommt mit ihrer "Für immer Tour 2020" am Samstag, 3. Oktober, nach Frankfurt in die Jahrhunderthalle und am Sonntag, 4. Oktober, nach Stuttgart in das Kultur- und Kongresszentrum. RNZ-Ticket Seite 23; Frankfurt: 52,95 bis 64,45 Euro; Stuttgart: 39,15 bis 62,15 Euro.