Daniel Hope. Foto: Nicolas Zonvi
Von Olaf Neumann
Daniel Hope ist ein Weltstar aus Berlin. Der in Südafrika geborene Violinist mit deutschem und irischem Pass spricht mit leuchtenden Augen und wacher Erinnerung über das russisch-deutsche Musikgenie Alfred Schnittke (1934-1998), dem er das Album "Works for Violin & Piano" gewidmet hat. Unterstützt wird er dabei von dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov, einem ausgewiesenen Schnittke-Experten.
Wie ist es Ihnen mit 18 Jahren gelungen, den großen Meister Alfred Schnittke zu treffen?
Daniel Hope: Durch einen Zufall habe ich jemand kennengelernt, der im selben Haus wohnte. Eines Abends habe ich einfach an Schnittkes Tür geklingelt. Ein extrem offener und freundlicher Mensch. Ich durfte ihn dann zwei Jahre lang regelmäßig besuchen, so habe ich mich noch mehr in seine Musik hineinversetzen können. Letztendlich war ich sein größter Fan. Bis dahin hatte ich kaum etwas von lebenden Komponisten gespielt.
Was haben Sie von Schnittke gelernt?
Er gab mir den Rat: Sei immer du selbst! Geh Deinen eigenen Weg! Das in einem Alter zu hören, in dem man viele Fragen hat, hat mich sehr bestärkt. Dieses Vertrauen in mich als Nobody war sehr bewegend. Er ermutigte mich darin, ein Festival mit seinen Werken an der Royal Academy of Music in London zu planen, wo ich parallel studierte. Er wollte über mich den Kontakt zu alten Freunden wieder aufnehmen.
Welches war sein Alleinstellungsmerkmal als Komponist?
Es war die Fähigkeit, zwischen den Genres und Stilen konsequent zu springen. Ich kenne keinen anderen Komponisten, der so viele verschiedene Stile bedienen konnte, von Barock bis Tango, von mexikanischer bis Zwölftonmusik. Immer wenn man dachte, man hätte verstanden, was er macht, sprang er woanders hin. Für manche ist das schwer nachvollziehbar, für mich aber war es himmlisch. Seine größtenteils tonale Musik hatte eine große Kraft, ohne jemals sentimental zu sein. Eine knallharte kompromisslose Musik mit Augenzwinkern.
Sein Werk ist gekennzeichnet durch viele Zitat-Passagen. Waren diese Zitate aus Ihrer Sicht notwendig?
Schnittke war geprägt vom sowjetischen System, mit dem er große Probleme hatte. Er war radikal dagegen. Schostakowitsch war für ihn einerseits ein großer Einfluss, andererseits hat er Distanz zu ihm gehalten. Schnittke hat von ihm zum Beispiel das Motiv DSCH übernommen, aber er hat es gedreht. Das wurde in der Sowjetunion als Respektlosigkeit angesehen, weshalb er große Probleme mit dem Regime bekam. Deshalb flüchtete er sich in die Filmmusik, wo er sehr populär wurde. Das Regime hat Schnittke daraufhin als nicht seriös niedergemacht.
Vor 30 Jahren sprachen Sie mit einem ehemaligen hochrangigen KGB-Offizier ausführlich über Schnittke. Was genau brachte ihn in Konflikt mit der sowjetischen Obrigkeit?
Das war eine meiner skurrilsten Begegnungen. Es war auf dem Weg zum Münchner Flughafen nach einem Fernsehauftritt. Dieser Herr war in derselben Fernsehshow wie ich und so fing ich an, ihn im Taxi auszufragen. Er war über meine Fragen zu Solschenizyn, Rostropowitsch und Schnittke ziemlich irritiert und äußerte sich sehr herablassend. Er sagte, Schnittke sei ein Punk gewesen, ein Nichtsnutz. Da musste ich natürlich vehement dagegenhalten.
Schnittke konnte nach zwei Schlaganfällen nicht mehr sprechen, wenn auch bis zur letzten Stunde seines Lebens schreiben – er ist bei der Reinschrift der 9. Sinfonie zusammengebrochen und gestorben. Klingt seine 9. Sinfonie wie eine Todesverkündigung?
Das ist sehr subjektiv. Ich weiß es nicht. Am makabersten ist für mich sein Bratschen-Konzert. Schnittke sagte, er habe Teile davon im Jenseits geschrieben. Als er aus dem Koma erwachte, schrieb er das auf, was er erlebt hatte. Hört man sich die Aufnahme von Juri Baschmet von diesem Stück an, ist das sehr schmerzhaft. Seine späten Werke wirken wie nicht von dieser Welt. Ob das eine direkte Verkörperung des Jenseits ist, vermag ich aber nicht zu sagen.
Werden Sie Schnittke in der veranstaltungsfreien Zeit zu Hause im Wohnzimmer spielen?
Also, ich spiele Schnittke rauf und runter. Im Moment bin ich aber viel im Studio, um zu produzieren. Ich habe während des Lockdowns ein großes Projekt mit viel Gesang fertig gestellt. In einer Zeit, wo das öffentliche Singen verboten ist, wollte ich eine Platte mit Sängern aus der ganzen Welt aufnehmen. Momentan studiere ich ein Stück von Mark-Antony Turnage ein, welches er für mich geschrieben hat. Ich hoffe, es Ende Februar in Paris aufführen zu können, wahrscheinlich ohne Publikum. Ansonsten schlage ich mich so durch.
Info: Daniel Hope & Alexey Botvinov – Schnittke: "Works for Violin & Piano" erscheint am 5. Februar.