Von Autor Martin Weber
Herr Klare, in "Unschuldig" spielen Sie einen Mann, der alles verloren hat. War es schwer, sich in einen solchen Menschen hineinzuversetzen?
Auch nicht schwerer als in andere Rollen. Es gehört ja zu meinem Beruf, die Erfahrungen einer Figur, die ich spiele, mit dem zu verbinden, was ich selber schon erlebt oder erfahren habe. Die Beweggründe einer Figur lassen sich psychologisch letztendlich immer auf grundsätzliche Gefühle wie Angst oder Wut reduzieren, also Emotionen, die man selber auch genau kennt. Damit kann man dann als Schauspieler arbeiten.
Sind solche zwiespältigen Figuren für einen Schauspieler interessanter als glatte Helden oder finstere Schurken?
Auf jeden Fall sind vielfarbige Figuren interessanter, gerade wenn man eine große Rolle spielt. Bei kleineren Rollen ist das nicht so wichtig, da kann es auch schon mal weiß oder schwarz sein. Aber bei Hauptrollen sind Facetten ungemein wichtig.
In einer Szene weinen Sie herzergreifend. Ist so etwas einfach abrufbar?
Abrufbar ist das nicht, die meisten Kollegen benutzen ja Hilfsmittel, damit die Tränen fließen, verwenden einen Mentholstift oder so. Das mache ich nicht, ich habe da für mich selber so einen Ehrenkodex, dass ich es ohne Hilfsmittel schaffe. Ich begebe mich in solchen Fällen ganz in die Situation hinein. Wenn die Tränen da sind, sind sie da – und wenn nicht, dann eben nicht. Wenn man mich weinen sieht, dann weine ich sozusagen in echt (lacht). Ich liebe Rollen, in denen ich emotional gefordert bin, die mir was abverlangen. Emotionen reizen mich auch als Zuschauer am meisten, wenn ich mir selber einen Film anschaue.
Ihre Frau ist auch Schauspielerin. Sprechen Sie mit ihr über solche Szenen?
Nein, speziell darüber nicht. Klar, wir tauschen uns schon mal über unsere Rollen aus, gehen aber eher selten ins Detail.
Sie beide haben vier Kinder. Bei Ihnen zu Hause muss es ganz schön turbulent zugehen, oder?
Da geht es in der Tat sehr turbulent zu. Das Tolle an Kindern ist, dass sich an ihnen ganz pur bestimmte Dinge beobachten lassen, das ist gerade für einen Schauspieler sehr wertvoll. Ich habe zum Beispiel einmal meinem vierjährigen Sohn den Schnuller aus dem Mund genommen, ohne das groß zu erklären, so nach dem Motto: Lass das mit dem blöden Schnuller mal, dafür bist du zu alt. Keine zwei Stunden später habe ich auf dem Spielplatz beobachtet, wie er ohne Erklärung einem anderen Kind einfach so die Schaufel wegnimmt. Da habe ich begriffen, was Vorbildfunktion heißt – im positiven oder eben auch im negativen Sinne.
Wie so viele Filme ist auch "Unschuldig" ein Krimi …
Stimmt, und ich habe auch gar nichts gegen Krimis, ich kann mich damit schon anfreunden. Es ist nur sehr auffällig, dass sich so viele Filme um Kriminalität drehen, finde ich, das hat vielleicht auch was mit Hollywood zu tun. Ich fände es generell schön, wenn sich mehr Filme auch um differenziertere Themen als Gewalt drehen würden. Es muss doch nicht immer gleich Mord und Totschlag sein.
Stimmt es, dass Sie keinen Fernseher zu Hause haben?
Das ist richtig, ich hatte auch noch nie einen.
Warum nicht?
Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen und hatte auch später nie das Bedürfnis nach einem. Ich glaube auch nicht, dass ein Schauspieler unbedingt fernsehen muss. Viel wichtiger ist doch, dass man seine ganz normalen Lebenserfahrungen beim Dreh oder auf der Bühne einbringt.
Aber dann können Sie ja gar nicht sehen, was zum Beispiel die anderen "Tatort"-Kommissare machen …
Stimmt, "Tatort" gucke ich eher selten. Aber natürlich schaue ich mir ab und zu auf dem Computer an, was bestimmte Regisseure oder Kollegen so machen. Ich gehe aber viel lieber ins Kino.
Verstehen Sie sich eigentlich mit Ihrem Stuttgarter "Tatort"-Kollegen Richy Müller gut?
Ja, wir verstehen uns wirklich gut. Wir sind durchaus befreundet und haben privat ab und zu Kontakt. Er ist zwar ein paar Jährchen älter als ich, aber doch ein Typ, der unheimlich jung geblieben ist. Das ist schon lustig mit ihm.
Keine Diskussionen, wer mehr Text hat?
Also ich behaupte mal, die gibt es bei jedem Team. Das hängt einfach damit zusammen, dass das alles gleichwertige Rollen sind – und man deshalb natürlich schon genauer hinschaut. Aber je besser man sich kennt, desto besser lassen sich solche Unstimmigkeiten auch lösen. Da kommt es dann auch schon mal vor, dass man sagt: "Nimm bei diesem Verhör du doch den ganzen Text, ich steh einfach nur dabei." Das geht aber nur, wenn man sich auch privat versteht, wie Richy und ich. Ich kenne da zwei, drei "Tatort"-Teams, wo das nicht so ist – ich darf Ihnen aber nicht verraten, um wen es sich da handelt. (lacht)
Wie lange möchten Sie noch den "Tatort"-Kommissar geben?
Ich habe mich vor ein paar Jahren bewusst dafür entschieden und mache das nach wie vor sehr gerne. Wie lange ich das noch machen will, weiß ich aber nicht. Für mich ist es sehr wichtig, immer mal wieder einen anderen Film zu drehen, eine andere Rolle zu spielen. Wenn das nicht mehr möglich wäre, würde ich den "Tatort" bleiben lassen. Ich bin schließlich Schauspieler und nicht "Tatort"-Kommissar.
In einem früheren Leben waren Sie sogar mal Schreiner …
Stimmt, ich habe als junger Mensch eine Schreinerlehre begonnen, die ich dann allerdings abgebrochen habe, um auf die Schauspielschule zu gehen. Ich mochte das Material Holz und habe auch viel gelernt, letztendlich hat es mich dann aber doch nicht ausgefüllt.
Können Sie einen Tisch oder einen Stuhl bauen, der nicht wackelt?
Kann ich. Ich habe bei mir zu Hause alle Kinderbetten selber gebaut, und ich stehe immer gerne mal an der Hobelbank. Ich habe mir in der Garage eine kleine Werkstatt eingerichtet, wohin ich mich gerne zurückziehe. Das Schreinern ist der perfekte Ausgleich für die Schauspielerei, finde ich.