Von Olaf Neumann
Fiddler’s Green haben in den vergangenen 30 Jahren rund 2000 Konzerte rund um den Globus gespielt. Ist Irish Folk mit Punkrock ein weltweites Phänomen?
Ralf "Albi" Albers: Das kann man sagen, denn in Europa sind wir fast überall aufgetreten. Wir waren auch in Russland und Japan. In Amerika haben wir mal eine Platte aufgenommen, aber törichterweise kein Konzert gespielt. Interessanterweise haben wir in Japan eine Backstageparty gegeben. Da waren zwei japanische Bands, die auch solch eine Musik machten. Und zwar in traditioneller irischer Kleidung. Offenbar ist die Anziehungskraft dieser Musik hoch.
Wie erklären Sie sich das?
Diese Musik wirkt auf viele ansteckend, weil sie neben der fröhlichen Attitüde auch eine Traurigkeit enthält. Es gibt viele schöne Balladen.
Fühlen Sie sich im Ausland als Botschafter der irischen oder der deutschen Kultur?
Ich würde die Vermittlung von Musik nicht von nationalen Identitäten abhängig machen. Wir vermischen ja alle möglichen Stile. Wir sind eher Botschafter der Musik und Förderer der gegenseitigen Verständigung. Dieses Album zu machen, war für uns in diesen Zeiten ein Anker. Die Traditionals auf der Platte haben wir 30 Jahre lang bewusst gemieden. Wir wollten nicht in den Chor der 30.000 Irish-Folk-Bands einfallen, die die immer gleichen Lieder spielen. Auf jedem Folkfestival "Whiskey In The Jar" zu hören, hat einfach genervt.
Wieso haben Sie diese Evergreens jetzt trotzdem aufgenommen?
Wir haben diese Songs einfach mal unbedarft eingespielt. Als Sänger war ich überrascht, wie viel Kraft und positive Energie in diesen Stücken steckt, wenn man unvoreingenommen an sie herangeht.
"Whiskey In The Jar” ist einer der ältesten traditionellen irischen Songs. Er wurde tausendfach gecovert, u.a. von Thin Lizzy, Grateful Dead und Metallica. Was haben Sie diesem Lied noch hinzuzufügen?
Wir haben uns natürlich durch die lange Liste der Spotify-Versionen gehört und uns hier und da Inspiration geholt. Ich sage nur: Metallica. Ansonsten haben wir darauf vertraut, dass wir den Liedern unseren eigenen Stempel aufdrücken können. Ich denke, das hat auch ganz gut geklappt.
Wie kommt es, dass ein jahrhundertealtes irisches Lied über einen Kriminellen, der plündert und Leute ausraubt, im Gefängnis landet und von seiner Frau betrogen wird, unter Musikern noch immer so populär ist?
Diese Frage trifft den Kern der Musik: Warum rührt einen die Melodie von "Whiskey In The Jar" und eine andere nicht so? Ich kann es Ihnen nicht beantworten. Das ist die Mystik der Musik.
Die Songs auf der Platte erzählen Geschichten von Underdogs, von Gesetzlosen und Charakteren, die nach ihren eigenen Regeln leben. Sind Sie von der dunklen Seite des Menschen fasziniert?
Wir haben die Songs nicht thematisch ausgesucht, sondern danach, ob sie uns liegen. Aber was Sie sagen, stimmt eigentlich. Sogar "Greensleeves" ist eine Ballade über jemanden, der bei einer Frau nicht so recht zum Zuge kommt. Und "Molly Malone" erzählt eine Art Geistergeschichte. Ich bin ein halber Melancholiker. Es ist gut, dass die fröhliche Seite der Musik mich da immer wieder rausreißt. Dass wir dieses Jahr nicht live spielen, macht mir schon zu schaffen. Ich kann diese Seite von mir nicht mehr ausleben.
Konnten Sie wenigstens ein paar Konzerte spielen?
Wir haben dieses Jahr insgesamt vier Gigs gegeben. Einen davon im Sommer auf der Seebühne in Bayreuth vor 400 Leuten. Es war nahezu ein Feeling wie früher. Und dann noch drei im Herbst. Eine recht karge Bilanz.
Statt live zu spielen, haben Sie eine Platte produziert. Haben Sie als Band eigene Corona-Regeln aufgestellt?
Wir haben Schnelltests gemacht, auch für unsere Online-Anniversary-Show, die am 4. Dezember stattfinden soll. Für die Produktion der Show haben wir uns einen Hygienebeauftragten gesucht. Das läuft alles mit Masken und Tests. Insgesamt kommen wir mit der Situation ganz gut klar. Wir haben in den letzten Jahren so viel live gespielt, dass es im Sommer angenehm war, ab und zu ein Wochenende daheim zu bleiben. Aber insgesamt waren es einfach zu viele Wochenenden.
Viele der Songs auf dem Jubiläumsalbum handeln von Alkohol. Ist das Trinken ein Ritual, das bei keinem Auftritt fehlen darf?
Nein, es ist kein Ritual. Unsere Musik wird immer mit Alkoholkonsum assoziiert. Klischees muss man irgendwie auch bedienen, aber ich kann nicht sagen, dass wir sie in unsere Lebenswirklichkeit mit aufnehmen. Früher haben wir aber schon während und nach einer Show gebechert. Wenn du jung und auf Tour bist, lässt du es halt krachen. Heute ist das nicht mehr fester Bestandteil des Tourlebens.
Info: Das Jubiläumsalbum "3 Cheers For 30 Years" gibt es ab 4. Dezember. Live am 25. März 2021, in Heidelberg in der Halle02.