Von Steffen Rüth
Es sollte zum Doppeljubiläum der Fo Fighters erscheinen: das zehnte Studioalbum "Medicine At Midnight" zum 25. Geburtstag der US-Band. Jetzt gibt es das Werk erst mal ohne große Tour, aber mit einer großen Portion rhythmischer Wucht. Steffen Rüth sprach mit Frontmann Dave Grohl (52) über das neue Album, alte, rockende Männer und Tänzchen in der Küche.
Dave, Ihr habt bei der TV-Party nach der Amtseinführung von Joe Biden Euren Klassiker "Times Like These" gespielt. Wird mit dem neuen US-Präsidenten jetzt alles besser?
Dave Grohl: Das hängt von uns allen ab. Das Wichtigste, was wir in der momentanen Situation brauchen, ist Nächstenliebe. Wir müssen wieder lernen, aufeinander zuzugehen. Ein grundlegendes Verständnis für die Belange und Bedürfnisse des anderen muss in allen Teilen der Gesellschaft neu entfacht werden.
Sind unter Donald Trump die Grundlagen des zivilen Miteinanders verloren gegangen?
Rücksicht und Mitgefühl sind in der jüngeren Vergangenheit schon sehr auf der Strecke geblieben, aber ohne geht es nicht. Das wird jetzt in der Pandemie besonders deutlich. Um so gesund und sicher wie möglich durch diese Zeit zu steuern, müssen wir aufeinander Acht geben. Und zusammenhalten. Es hilft meiner Meinung nach nicht, jetzt permanent auf die Rückkehr der sogenannten Normalität zu hoffen. Wir sollten uns lieber anpassen und dabei neue Wege finden, das Leben lebenswert und schön zu machen.
Auch Euch lässt die Pandemie nicht ungeschoren. Das Album ist seit dem vergangenen Frühjahr fertig. Corona hat einen fetten Strich durch Eure großen Jubiläums- und Tourneepläne gemacht. Im Oktober habt Ihr einmal ein kleines Geisterkonzert in Los Angeles gespielt, aber das war es dann auch. Wie haltet Ihr das aus?
Leicht ist es nicht. Wir hatten uns bestimmt ein halbes Jahr lang überhaupt nicht gesehen und waren überglücklich, als wir endlich wieder im selben Raum zum Proben zusammenkamen. Mir fehlt auch wirklich ganz extrem das Fitnessprogramm, das eine Tour mir bietet. Im Konzert tobe ich drei Stunden jeden Abend über die Bühne. Ich bin nie der Typ gewesen, der Hanteln stemmt. Körperlich und mental ist die Zeit für uns alle hart, auch für mich. Doch wie gesagt: Man muss sich arrangieren. Wir machen jetzt eben unsere Nachmittagsausflüge in die Natur.
Du warst 22, als Du bei Nirvana eingestiegen bist und 26, als Kurt Cobain starb. Machen Menschen die beste Musik, so lange sie jung sind?
Die Energie ist eine andere. Die Jugend ist eine Phase voller Reibung und Konflikt, aber sie steckt auch voller Entdeckungen, Möglichkeiten und Abenteuer. Sie ist eine Zeit der Unermüdlichkeit. Wenn du an Rock’n’Roll denkst, dann kommt dir ja nicht als erstes eine Gruppe von mittelalten Männern in den Sinn. Sondern ein Haufen wilder Zwanzigjähriger.
Mittlerweile wird die Rockmusik jedoch von richtig alten Männern dominiert. Für eine Stadionrockband seid Ihr fast noch Jungspunde.
(lacht) Okay, da ist was dran. Aber so lange Bands wie die Rolling Stones oder AC/DC noch so gut sind, warum sollten sie da aufhören? Wir als Foo Fighters haben die Angewohnheit zu denken, dass jedes Album unser letztes sein könnte. Auch deshalb wollen wir immer etwas Besonders machen, die Leute überraschen. Wir könnten die Band sein, die langsam und gemütlich in den Sonnenuntergang ihrer Karriere reitet. Oder wir haben die Lust, trotz immer grauer werdender Bärte Neuland zu betreten und zu experimentieren.
"Medicine At Midnight" ist ein verblüffendes Album geworden. Welcher Zauber steckt denn hinter der Absicht, eine so rhythmische und tanzbare Rockplatte aufzunehmen?
Wir wussten: Das ist unser zehntes Album, und wir werden 25. Uns war also klar, dass wir irgendetwas Außergewöhnliches machen mussten und wollten. Da haben wir natürlich allerlei Optionen. Wir hätten eine total durchgeknallte Rockplatte machen können, simplen, lauten Punkrock, oder ein sympathisch verschlafenes Akustikalbum. Aber irgendwie hat uns das alles nicht so begeistert, schließlich sind wir ja auf all den genannten Pfaden bereits unterwegs gewesen. Schließlich schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass wir noch nie ein Dance-Album gemacht haben.
Der Gedanke an Disco-Dave drängt sich ja auch nicht unbedingt auf.
Wenn du aber erst mal angefangen hast, in diese Richtung zu überlegen, gibt es plötzlich gar keine andere Möglichkeit mehr. Natürlich sollte es kein am Computer abgezirkeltes Techno-Electro-Album werden, wir sind ja immer noch eine Rockband. Aber auch Rockbands können Party-Platten machen. Ich denke an Kiss, an AC/DC, an David Bowie oder an Power Station. Ich liebe diese Disco-Sounds schon mein ganzes Leben. Spätestens, seit mich meine Mutter damals von der Schule abholte und im Autoradio "I Will Survive" von Gloria Gaynor lief.
Trotz der rhythmischen Grundausrichtung in Songs wie "Shame Shame" oder dem Titelstück gibt es ordentlich Abwechslung. Auf dem harten "No Son Of Mine" schreist Du förmlich, "Chasing Birds" hat was von den Beatles und "Love Dies Young" ist eine mächtige Rockhymne.
Na klar, ein Album soll ja nicht eintönig sein, sondern Hügel und Täler haben, ganz ähnlich wie auch eine Live-Show. Diese Dynamik war ja von Anfang an typisch für uns. Bei "Love Dies Young" muss ich übrigens an Abba denken. Ich liebe Abba. Noch so eine Lieblingsbands meiner Mum, mit deren Musik ich groß geworden bin.
Fühlt es sich eigentlich doof an, ein total tanzbares Rockalbum gemacht zu haben und nun in kaum einem Club auf der Welt dazu tanzen zu können?
Als wir mit diesen Songs im Studio waren, lange vor der Pandemie, noch länger vor irgendeinem Shutdown, dachte ich ständig: Dieses Album ist perfekt für eine Arena, perfekt für ein Stadion, perfekt für ein Festival. Jetzt fällt das alles flach, nur das Album ist immer noch da. Also bleiben wir flexibel, springen wir aus dem Bett, sammeln wir unsere Energie, kochen wir uns einen Kaffee – und tanzen zu diesen Songs in unseren verdammten Küchen, bis unsere Socken qualmen. (lacht)
Info: Das Album "Medicine At Midnight" erscheint am 5. Februar. Live geplant am 8. Juni 2021 auf der Waldbühne Berlin.