Von Ute Teubner
Das Witzigste mal vorweg: Die Deutschen – allgemeinhin nicht gerade als Spaßvögel bekannt – können offenbar über alles lachen. Ganz egal, ob gut oder schlecht: In Sachen Humor sind wir nicht besonders wählerisch und somit für jeden Gag dankbar. Dieses überraschende Ergebnis zum Humor der Deutschen lieferte die Studie von "Laugh Lab". Das Lachlabor-Projekt ist einer der größten sozialwissenschaftlichen Feldversuche, die es je gab.
Der britische Psychologe Richard Wiseman erforschte 2004 ein Jahr lang das Humorverständnis verschiedener Nationen, indem er via Internet weltweit dazu aufrief, den eigenen Lieblingswitz ins "Laugh Lab" einzugeben und gleichzeitig die anderen Witze zu bewerten. Sein Ansatz: Humor ist wichtig für die Kommunikation. Und je mehr wir darüber wissen, wie die Kultur des Menschen den Sinn für Humor beeinflusst, umso besser fällt die Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen letztlich aus.
Das Experiment entpuppte sich auf ganzer Linie als Erfolg: Eine halbe Million Menschen aus 70 Ländern beteiligte sich und stellte 40.000 Witze ins Netz, die dann bewertet werden konnten. Die wichtigste Erkenntnis: Einen universellen Humor gibt es nicht. Was als witzig empfunden wird, hängt maßgeblich vom kulturellen Umfeld ab. Anders ausgedrückt: Menschen in verschiedenen Ländern lachen auch meistens über sehr unterschiedliche Dinge.
Und während sich also die Deutschen über ausgesprochen viele Witze amüsieren können (laut Richard Wiseman übrigens ein Zeichen für Unzufriedenheit), verzogen die Kanadier (bekannt als zufriedenes Volk) angesichts der Lachlabor-Witze mehrheitlich keine Miene. Schon gar nicht über den Lieblingswitz von Wiseman’s Landsleuten auf der britischen Insel:
"Eine Frau steigt mit ihrem Baby in den Bus. Sagt der Busfahrer: ’Das ist das hässlichste Baby, das ich je gesehen habe!’ Stinksauer setzt sich die Frau nach hinten und sagt zu ihrem Sitznachbarn: ’Der Fahrer hat mich beleidigt!’ Daraufhin der Mann: ’Gehen Sie doch nach vorne und beschweren Sie sich – ich halte den Affen solange für Sie.’"
Schwarz, trocken und respektlos, so kommt der britische Humor in der Regel daher. Und eigentlich auch durchaus intelligent – was besagter englischer Lieblingswitz nicht unbedingt widerspiegelt. Amerikaner können übrigens rein gar nichts mit dieser morbid-schrägen Humorvariante der Briten anfangen: Sie können oftmals den Hintersinn in den englischen Witzen nicht dechiffrieren und den Wortwitz nicht verstehen, der auch bei Iren, Australiern und Neuseeländern hoch im Kurs steht. In den Staaten sind vielmehr Schenkelklopfer beliebt, in denen die Hauptperson lächerlich gemacht wird, "Überlegenheitswitze", bei denen eine Seite die andere dumm aussehen lässt. Das erinnert an deutsche Ostfriesen-Witze oder die in Spanien und Südamerika berühmten Jaimito-Witze. Hier eine Kostprobe:
"Die Lehrerin schimpft mit Jaimito: ’Du hast bei Pedro abgeschrieben.’ ’Woher wollen Sie das denn wissen?’, fragt Jaimito. ’Weil Pedro bei der dritten Frage der Klassenarbeit geschrieben hat, ’Ich weiß es nicht’ und du hast geschrieben ’Ich auch nicht’.’"
In Russland wiederum wird der in Ostsibirien lebende indigene Volksstamm der Tschuktschen oft als Lachnummer benutzt:
"Ein Tschuktsche sagt zu einem Russen: ’Wenn du errätst, wie viele Rentiere ich habe, kannst du beide haben.’ ’Zwei’, sagt der Russe. Darauf der Tschuktsche: ’Mensch, du bist ja ein Hellseher!’"
Ähnlich dem britischen Humor, erzählt man sich auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Belgien oder Dänemark gerne Witze, die sich über Tod, Krankheit oder Eheprobleme lustig machen – eine humoristische Variante der Angstbewältigung. Vergleichbar den momentan kursierenden Corona-Witzen, die ebenso als kreative Bewältigung einer schwierigen Zeit betrachtet werden können:
"Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: ’Du siehst aber schlecht aus.’ Der andere: ’Ja, ich habe Homo sapiens.’ Sagt der Erste: ’Hatte ich auch mal. Geh zum Arzt und lass dir Corona verschreiben.’
Viele Witze haben einen stark regionalen Charakter, etwa auf dem afrikanischen Kontinent. Sie werden denn auch außerhalb des Landes wohl kaum als lustig empfunden, wie dieser ägyptische Witz:
"Warum geht ein Kamel durch die Wüste? Weil es auf die andere Seite will!
Witze sind eben kulturabhängig – und damit nicht für jeden auf Anhieb verständlich. So scheint sich die humoristische Kontaktaufnahme mit Japan für uns als außergewöhnlich schwierig zu gestalten.
"Da sind zehn Ameisen. Und danke!"
War diese komplett kryptische Aussage etwa schon der Witz? Da ist dann für den Durchschnittseuropäer doch eher "Schluss mit lustig", zumal sich uns der hinter diesem Spruch stehende japanische Wortwitz (den zu erklären hier den Rahmen sprengen würde) selbstredend nicht erschließen kann.
Aber gibt es überhaupt "den einen Witz", der jeden – und nicht nur die Deutschen – zum Lachen bringt? Überall auf dem Globus? Egal, ob Frau oder Mann? Jung oder Alt? Ja, es gibt ihn: Humorforscher Richard Wiseman nämlich ermittelte im Rahmen seiner "Laugh Lab"-Studie ganz nebenbei auch noch den "witzigsten Witz der Welt". Der kommt aus dem britischen Manchester, erhielt laut Forscherteam eine "universale Zustimmung" und habe "in bescheidenem Maße den meisten Menschen am besten gefallen" – und er geht so:
"Zwei Jäger streifen durchs Unterholz, als einer von ihnen plötzlich zusammenbricht. Der andere Jäger gerät in Panik und ruft den Notarzt an: ’Ich glaube, mein Freund ist tot, was soll ich nur tun?’ Der Arzt antwortet: ’Ganz ruhig. Zunächst müssen Sie sichergehen, dass ihr Freund wirklich tot ist.’ Stille, dann fällt ein Schuss. Der Jäger kommt wieder ans Telefon und fragt: ’OK, erledigt, und was jetzt?’"
Enttäuscht? Stimmt: Ein echter Knaller ist er wirklich nicht, der "witzigste Witz". Aber wahrscheinlich haben Sie trotzdem zumindest geschmunzelt – denn Sie wissen ja: Im Grunde sind wir richtige Spaßvögel ...