Im ZDF und auf Arte läuft gerade die zweite Staffel der Thrillerserie "Bad Banks" – die Bücher schrieb der Autor und Regisseur Oliver Kienle. 2019 gab es dafür den Deutschen Fernsehpreis. Am Freitag startete Kienles rasante Komödie "Isi & Ossi"auf Netflix, die in Mannheim und Heidelberg spielt. Darin prallen Arm und Reich aufeinander: Damit die Eltern ihrer Karriere als Köchin nicht länger im Weg stehen, täuscht Isi (Lisa Vicari) eine Beziehung mit dem Boxer Ossi (Dennis Mojen) vor.
Herr Kienle, wie kam Ihnen die Idee, "Isi und Ossi" in Mannheim und Heidelberg zu drehen?
Die Idee zur Geschichte hatte ich schon länger. Und in Mannheim wollte ich schon immer mal drehen, weil es für mich von der filmischen Perspektive die interessanteste Stadt in Baden-Württemberg ist. Besonders begeistert hat mich neben Mannheim dann auch Heidelberg. Ich kenne keine vergleichbare Gegend in Deutschland, in der zwei so unterschiedliche, aber sehr charakteristische Städte so nahe beieinander liegen. Da kann Kreuzberg/Charlottenburg nicht mithalten.
Extreme Kontraste gibt’s auch bei Isi und Ossi – intellektuell und finanziell.
Wichtig war für mich, dass es nicht nur um Arm und Reich geht, sondern um fehlende Chancengleichheit. Dies sieht man vor allem in den Anfangsszenen, wenn die Kindheit von Isi und Ossi gezeigt wird. Eigentlich sind beide vom Intellekt wie Geschwister – nur, dass Ossi eigentlich total unterfordert ist in der Schule, dennoch wissensdurstig; und Isi total überfordert, lieber einen ganz bodenständigen Beruf erlernen möchte. Es geht darum: Welches Los ziehst du? In welchem sozialen Umfeld wirst du geboren: in der Heidelberg- oder der Mannheim-Welt?
Als Heidelberger hat man von Geburt an die besseren Chancen?
(lacht) Nein. Man muss das schon als komödiantische Überspitzung sehen, dass die beiden Städte nur etwas repräsentieren. Sie sind Metaphern für das Privilegierte und das weniger Privilegierte
Was haben Sie denn Privilegiertes in Heidelberg entdeckt?
Über Heidelberg bin ich gestolpert bei der Recherche zu meiner Serie "Bad Banks", als ich gesehen habe, wie viele reiche Menschen von Deutschland in Heidelberg landen und ich weiß nicht, ob es immer noch so ist, aber dass die meisten Milliardäre Deutschlands in Heidelberg wohnen. Das sind dann nur fünf Stück oder so, aber (lacht) …
Kennen Sie die alle?
Nö. Aber es gab eine internationale Statistik. In diesem weltweiten Vergleich war die einzige Milliardärsstadt Deutschlands Heidelberg. Und es hat mich einfach überrascht. Das hätte ich von einem Kleinstädtchen nicht gedacht.
Was bedeutet Reichtum für Sie?
Über "Bad Banks" lernte ich viel über Reichtum, aber auch den Zustand Reichsein in Deutschland, und dass es in Deutschland eher verpönt ist, reich zu sein. Ich finde es total sympathisch, dass es hier quasi ordinär ist, reich zu sein. In vielen anderen Ländern wie den USA ist das nicht so. Da versteht man Reichtum positiv. Das finde ich schade. Und das macht Deutschland aus. Wir sind eben keine GmbH, sondern ein Land mit sozialem Bewusstsein. Da fällt mir der Film "Killing Them Softly" ein, in dem Brad Pitt am Ende schlussfolgert: "The USA is not a country. It’s a business."
Apropos Business: Wie viel "Bad Banks" steckt in "Isi und Ossi"? Dort geht es ja auch um Geld, die durch die junge Investmentbankerin Jana Liekam (Paula Beer) verkörpert wird.
Ja. Das war ein fließender Übergang, weil ich mich natürlich bei Bad Banks sehr mit dem Thema Reichtum beschäftigen musste.
Und warum ist der Finanzguru eine Frau, bei "Isi und Ossi" ebenfalls. Hätte die Story gendertechnisch auch umgekehrt funktioniert?
Für mich war "Isi und Ossi" das dritte Projekt, bei dem während der Entwicklung nur über Frauenfiguren gesprochen wurde. Ich bin einfach Fan von gut geschriebenen Frauenfiguren. Und mich nerven die immer gleichen Fragen, egal ob Jana Liekam in "Bad Banks" oder Isi: Ist denn die Figur überhaupt sympathisch mit so viel Geld? Kann man das noch nachvollziehen, dass sie Karriere machen will? Dass wir da in Deutschland so rückständig sind und das Genderthema derart intellektualisieren müssen – das nervt mich.
Aber hätte es umgekehrt denn funktioniert?
Ich spiele gerne mit den Rollen, verdrehe auch gerne die Geschlechter und Nationalitäten – sogar im Casting noch. Aber letztendlich hat es uns so am besten gefallen.
Gerade weil es nicht das klassische Frauenbild skizziert?
Es ist interessanter und mutiger, weil eben nicht wie im Märchen der wohlhabende Prinz Aschenputtel heiratet. Hey! Da ist Isi, eine junge Frau aus der gesellschaftlichen Oberschicht, die sagt: Ich will Köchin werden. Es wird also auch mit den klassischen Berufsbildern der Reichen gebrochen. Man übersieht, dass privilegierte Menschen oft genauso große Schwierigkeiten haben, sich selbst zu finden, wie wenig privilegierte. Weil ihr Umfeld sie in eine bestimmte Form zu pressen versucht.
Sind Sie privilegiert aufgewachsen?
Wenn ich mich selbst nun in so einem Film sehen würde, bin ich eher Mannheim. Ich komme aus einer Kleinstadt und die Leute, mit denen ich aufgewachsen bin, sind eher wie Ossi und Spasti aus dem Film. Die reiche Welt war für mich neu.
Und wie sind ihre Eltern? Eher wie die von Isi oder Ossi?
Mein Vater war Geschäftsmann und meine Mutter Krankenschwester. Ich bin in der bürgerlichen Mitte groß geworden, und wir hatten in der Kindheit ziemlich viel Geld. Ich kann mich daran erinnern, dass mein Bruder und ich unser Spielzeug versteckt haben, wenn andere Kinder zu Besuch kamen, weil wir uns schämten, so viel zu haben. Meine Kumpels aus dem eher klassischen Arbeitermilieu hatten weniger. Sie haben später auch mit 14 oder 15 angefangen zu arbeiten. Als ich ein Teenager war, wurde aber plötzlich mein Vater krank und wir haben alles verloren und lebten fast am Existenzminimum. Im Nachhinein bin ich dankbar dafür, dass ich beide Seiten kennengelernt habe, und weiß, was es heißt, zu viel oder zu wenig zu haben.
Was ist die Botschaft des Films?
Chancen, die ungleich verteilt sind, aber auch nicht immer genutzt werden. Und dass der Weg der goldenen Mitte, also der bürgerlichen Mitte, am glücklichsten macht.
Und was wäre dann stellvertretend die Mitte zwischen Heidelberg und Mannheim?
Ludwigshafen! (lacht)
Das glaube ich nicht.
Nein. Leider haben wir Ludwigshafen komplett ausgeblendet. Aber natürlich, dass man als Mannheimer nach Heidelberg geht und umgekehrt, was ja auch im Film am Schluss mit Ossi passiert. Die äußere Annäherung ist auch eine innere. Aber geografisch gibt es nicht wirklich eine vergleichbare Mitte. Im Film dann, wenn sich Isi und Ossi annähern. Ossi bekommt durch die Heidelberg-Welt Zugang zum Rationalen, teilt seiner Mutter mit, was wichtig für seine berufliche Zukunft ist, statt sich weiter von emotionalen Verpflichtungen gängeln zu lassen. Und Isi bekommt durch Mannheim endlich die emotionale Reibung mit ihren Eltern, nach der sie sich gesehnt hat.
Was ist Ihr Lieblingsplatz in Heidelberg?
Mmmhhh … Ich habe keinen Lieblingsplatz in Heidelberg. Es sind eher die Menschen, die da Leben. Ich mag an Heidelberg, dass man sofort das Gefühl hat, es ist 10 Grad wärmer.
10 Grad wärmer als in Mannheim???
Nein. Aber es fühlt sich so an. Ich fühle mich generell einfach wohl hier, es wundert nicht, dass die Stadt so viele Touristen und Studenten anzieht. Zudem war ich schon in meiner Jugend ein Fan von Heidelberg, weil es für mich mit Advanced Chemistry die Geburtsstadt des deutschen Hip Hops ist – auch wenn das nun nicht in den Film gepasst hätte.
Aber Mannheim hat ja auch schöne Ecken …
Absolut! Einmal sind wir bei unseren Dreharbeiten durch einen Park gelaufen und 20 kleine Kaninchen hoppelten an uns vorbei. Das war idyllisch wie in einem Disney-Film. Da dachten wir schon, was wir hier für ein negatives Bild von Mannheim im Film zeigen (lacht).