Gringo Mayer veröffentlicht sein Debütalbum "Nimmi Normal"
Der Pfälzer Songwriter erklärt, warum sein Debütalbum "Nimmi Normal" mehr mit der Wiener Band Wanda als den Anonyme Giddarischde zu tun hat.

Von Daniel Schottmüller
Pfalz. Ausgerechnet in einer Hütte im Schwarzwald hat Gringo Mayer seine pfälzischen Wurzeln neu entdeckt. "Das war 2018", erzählt er. "Ich hatte zu dieser Zeit bereits eine Reihe von Gelegenheitsjobs durchlaufen." Mit dem Arbeitsalltag im Büro konnte sich der damals 30-Jährige aber nicht wirklich anfreunden. "Ich bin dann aus der Rhein-Neckar-Region in die Nähe von Freiburg gezogen, auf der Suche nach einer neuen Herausforderung."
Und tatsächlich, als er eines Nachts seine Gitarre in die Hand nahm, sollte sich eine neue Chance auftun. "Erst hatte ich nur eine Melodie im Kopf, aber dann sprudelte auf einmal die Muttersprache aus mir heraus. In wenigen Minuten war der Text fertig." "Viel zu arg" heißt das eindringliche Lied, das in jener Nacht entstanden ist. Am Freitag wird es zusammen mit neun weiteren pfälzischen Eigenkompositionen auf Mayers Debütalbum "Nimmi Normal" erscheinen.
"Mei Mutter hot mei Droge versteckt", singt der 33-Jährige im Refrain und zieht dabei genüsslich die Vokale. Auch weil man hinhören muss, um jedes Wort zu verstehen, erinnert der selbstironische Song an die Austro-Rocker Wanda. Kein Zufall. Denn bis zu seinem Aha-Erlebnis im Badischen musste der mittlerweile in Mannheim lebende Mayer eine kleine musikalische Reise hinter sich bringen. Nach den obligatorischen Abstechern zu den Songwritern Englands und Amerikas, denen er als Jugendlicher nacheiferte, ging es über die Hamburger Schule und Bands wie Tocotronic nach Österreich. "Vor allem Voodoo Jürgens hat mich in den letzten Jahren geprägt", verrät er. "Aber auch Der Nino aus Wien, der wiederum Wanda beeinflusst hat." Mit "Viel zu arg" landete der gebürtige Ludwigshafener nun zumindest sprachlich wieder zu Hause.
Nicht unbedingt selbstverständlich: Zwar kann Mayer Gruppen wie Die Anonyme Giddarischde durchaus etwas abgewinnen. Seine ersten eigenen Schritte Richtung Mundart-Musik waren aber eher unsicher: "Für den Kinofilm ‚Mannheim – Neurosen zwischen Rein und Neckar’ hab’ ich vor sechs Jahren als Auftragsarbeit den Song ‚Monnemer Dreck’ geschrieben. Beim Singen kam ich mir aber fast primitiv vor", gibt er zu.
Dass Dialekt auch außerhalb der Heimat resonieren kann, dämmerte Mayer erst, als er seinen Musikerkollegen in Freiburg "Viel zu arg" vorspielte. Die reagierten begeistert auf den humorvoll-melancholischen Pfälzer Indie-Song. Alsbald machte man sich gemeinsam ans Aufnehmen. Der erste Meilenstein: Die Fußballhymne "Gibt’s do net". "Der Schlagzeuger hat seiner Freundin in Kiel eine Vorabversion vorgespielt", erinnert sich Mayer. "Er meinte: ‚Die Annika hat kein Wort verstanden, aber sie feiert das Lied total.‘" Warum auch nicht? "Bei englischen Songs muss ich ja auch nicht alles verstehen." Der 33-Jährige glaubt, dass den Zuhörern gerade das sprachliche Decodieren Spaß machen kann.
Aber auch als Songwriter fühlt sich Gringo Mayer derzeit freier denn je. "An so etwas wie ‚Gibt’s do net’ hätte ich mich früher gar nicht erst versucht." Erst der Dialekt habe ihm ermöglicht, seinen derben, aber eben auch authentischen Fußballsong zu schreiben. Das im EM-Sommer veröffentlichte Musikvideo dazu wurde inzwischen fast 7000 Mal aufgerufen. Sicher auch, weil "Gibt’s do net" so klingt wie die echten Fans in den Stadien und Kneipen.
"Zugegeben, komplett seriöse pfälzische Lieder sind für mich immer noch undenkbar. Aber als Musiker will ich ja mit dem Auge zwinkern", betont er. "Mir gefällt das, wenn man nicht sofort weiß: Meint der das ernst oder ist das ein Witz?" Ab und an weiß Mayer das selbst nicht. Etwa bei dem stampfig-bluesigen "Ru‘ do Driwwe". "Jeder kennt das: Man hasst die Nachbarn, die fordern, dass um 22 Uhr Totenstille zu herrschen hat. Gleichzeitig hätte man es manchmal selbst gerne ruhig." Im Song ist Mayer beides: cholerischer Spießer und ironischer Erzähler.
An Dualität und Reibung ist er seit den Kindertagen in Ludwigshafen-Gartenstadt gewöhnt: "Ich hab’ von den Kids aus den Sozialbauten Prügel bezogen. Mit den Ärztesöhnchen, die ich vom Gymnasium kannte, konnte ich aber auch nicht viel anfangen." Seine Songs begreift er nun als Brücke: "Ich wende mich an die Leute, die diesen Dialekt sprechen, genauso wie an die, die dem Ganzen intellektuell etwas abgewinnen können."
Besonders interessant: der Titeltrack, bei dem er in die Rolle des Verschwörungstheoretikers schlüpft. "Ich hab’ mir einen einsamen Mann vorgestellt, der raucht und immer fetter wird", erzählt er. "Ich kenn do gar kä Grenze mehr, nur fer mei Land missen Grenze her", schwadroniert Mayers Alter Ego. Die Angst vor einer Welt, die längst "nimmi normal" erscheint, wird unmittelbar spürbar.
Aber was ist das eigentlich für ein Dialekt, in dem der Text vorgetragen wird? Ludwigshäfenerisch? Monnemerisch? Oder doch Kurpfälzisch? "Mein Opa kann sich als Ludwigshafener noch an Zeiten erinnern, wo in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich gesprochen wurde", schildert der 33-Jährige. "Ich glaube, heute mischt sich das alles." Für Gringo Mayer kein Problem. Grenzen waren eh nie sein Ding.
Info: Das Erscheinen von "Nimmi Normal" feiert Gringo Mayer am 20. November mit einem Release-Konzert in den Kulturbrücken Jungbusch, Mannheim. Neben ihm treten der Heidelberger Songwriter Conor O’Brien und ein DJ auf. Aktuelle Konzertinfos über Gringo Mayers Instagram-Account.
Gringo Mayers "Nimmi Normal" ist ab Freitag, 19. November, auf gängigen Plattformen streambar und über www.gringomayer.de erhältlich.



