Von Ute Teubner
Wenn Dr. Bettina Schulz ihren Studierenden erklären will, wie sich verschiedene Getränke auf den Körper und die menschliche Leistungsfähigkeit auswirken, dann erzählt sie meist von Stefan Schlegel. Die diplomierte Ökotrophologin betreute einst den Hirschberger Extremradfahrer, der in gut zehn Tagen einmal die USA durchquerte – und dabei weder Zeit zum Schlafen noch zum Essen hatte. Die Ernährungsberaterin, die die Heidelberger Regionalvertretung des Berufsverbands Oecotrophologie (VDOE) leitet, weiß: "Diese Sportler steigen eigentlich nur zum Pipimachen ab."
Sportlergetränk
Das braucht man für ein selbstgemixtes isotonisches Getränk:
- 30 g Maltodextrin (3 gestrichene EL), wahlweise Traubenzucker
- 40 g Zucker (3 gehäufte EL)
- 100 ml Orangen- oder Zitronensaft für den Geschmack
- 1 Liter Leitungswasser
- 1 Prise Kochsalz (Foto: Getty)
Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass ein Verlust von bereits zwei Prozent des Körpergewichts die Leistungsfähigkeit deutlich beeinträchtigt. Dies entspricht bei den meisten Menschen einem Schweißverlust von weniger als zwei Litern. Ein Marathonläufer verliert aber bis zu fünf Liter Schweiß, Fußballspieler können mehr als fünf Prozent ihres Körpergewichts ausschwitzen, wird das Spiel an einem heißen Tag ausgetragen.
Extremradler Stefan Schlegel musste in der Wüste ein bis zwei Liter pro Stunde trinken, wollte er die (Tor-)Tour überstehen. "Das Wasser durfte aber nicht gleich durchlaufen", erinnert sich Bettina Schulz. Und: Der Sportler hatte einen Energiebedarf von bis zu 8000 Kalorien am Tag zu decken, die er ausschließlich flüssig zu sich nahm.
Das Getränk musste folglich Kohlenhydrate wie Zucker enthalten. Da eine solche dünne, hypertone Lösung dem Körper jedoch zu viel Wasser entzieht, brauchte es nun noch etwas Natrium, sprich Salz – Elektrolyte helfen dem Magen dabei, die Flüssigkeit möglichst schnell an den Dünndarm abzugeben, wo laut Schulz bis zu 70 Prozent des Wassers absorbiert werden und ins Blut gelangen. Ohne diese isotone Lösung hätte Radfahrer Schlegel die Strecke von 5000 Kilometern niemals zurücklegen können (zumindest nicht innerhalb so kurzer Zeit).
Allerdings spielt auch die Menge eine große Rolle. Hätte er weniger als acht bis zehn Liter täglich getrunken, wäre Dehydratation die Folge gewesen: Das Blut fließt dann langsamer, Muskeln und Gehirn werden schlechter mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, wir haben Kopfschmerzen, sind müde, reagieren langsamer, können uns nicht mehr konzentrieren; Schäden an Gehirn, Herz und Nieren können zum Tod führen. Ein Zuviel an Flüssigkeit kann wiederum eine "Wasservergiftung" (Hyponatriämie) nach sich ziehen, die Ödeme hervorruft und in Extremfällen sogar schon Freizeitsportler das Leben gekostet hat.
Der Wasserhaushalt des menschlichen Körpers ist folglich ein überaus sensibles System. Ohne Nahrung kann der Mensch länger als einen Monat überleben – ohne Wasser jedoch nur etwa drei bis vier Tage. Dabei besteht der menschliche Körper selbst – je nach Alter – zu 50 bis 80 Prozent aus Wasser. Es befindet sich im Körper in einem ständigen Kreislauf, fließt durch alle Organe, Zellen und Körperflüssigkeiten. Blut beispielsweise besteht zu rund 90 Prozent aus Wasser. Es versorgt alle Organe, Muskeln und andere Körperzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff – allen voran das Gehirn. "Es gibt im Grunde keine biochemische Reaktion im Körper, die ohne Wasser möglich wäre", betont Bettina Schulz.
Wasser enthält lebenswichtige Mineralien und Spurenelemente wie Eisen, das Blutbildung und Energiestoffwechsel fördert, oder Calcium, das wichtig für unsere Knochen und Zähne ist. Für Herz und Muskeln spielt vor allem Kalium eine Rolle; ohne Chlorid und Natrium wiederum kämen der Wasser- und Säure-Basen-Haushalt unseres Körpers aus dem Gleichgewicht. Wasser löscht also nicht nur den Durst, es sorgt vielmehr dafür, dass unser Körper richtig funktioniert. Es transportiert Vitamine, Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate und andere Nährstoffe in die einzelnen Zellen, ebenso wie Hormone, die eine Steuerfunktion für das Zusammenspiel aller Organe haben. Von unserem Trinkverhalten sind übrigens nicht nur Blut und Schweiß abhängig, sondern auch alle anderen Körperflüssigkeiten wie Speichel, Magensaft, Urin oder die Tränenflüssigkeit. Sie können nur mit ausreichend Wasser ihre Funktion ausüben.
Doch was passiert eigentlich genau im Körper, wenn ich ein Glas Wasser trinke? Fest steht: Schon wenige Sekunden nach dem ersten Schluck erfüllt das kühle Nass wichtige Aufgaben. Bereits in der Speiseröhre wird über die Schleimhäute die erste Flüssigkeit aufgenommen, die direkt in die Zellen abtransportiert wird.
Der Großteil des Schlucks landet zunächst im Magen, dem die Flüssigkeit bei der Arbeit hilft. Ein großes Glas Wasser, eine halbe Stunde vor dem Essen getrunken, unterstützt die Bauchspeicheldrüse, die Verdauungssäfte des Magens beim Eintritt in den Darm zu neutralisieren.
Während des Essens und danach sollte man hingegen besser nichts trinken, da man sonst Gefahr läuft, die Bissen zu schnell herunterzuschlucken. Zweieinhalb Stunden später allerdings können zwei große Gläser Wasser erneut hilfreich sein. Schließlich benötigt der menschliche Körper viel Flüssigkeit für den Transport der Nahrung durch den Darm: ungefähr neun Liter pro Tag, die er sich aus Zellen und Gewebe besorgt.
Die eigentliche Wasseraufnahme des Körpers findet im Dünndarm statt. Soll ein Getränk als Flüssigkeitsersatz besonders effektiv sein, muss es also möglichst rasch hierhin geleitet werden – vor allem kalte, isotonische Getränke durchlaufen den Magen schnell.
Die im Wasser gelösten Nährstoffe passieren die Zellmembran des Darms, wobei vom osmotischen Druck abhängig ist, wie viele Nährstoffe die Zellen jeweils brauchen. Bestimmt wird dieser Druck durch die Nieren, die die Wassermenge im Körper regulieren. Ganze 2000 Liter Wasser am Tag fließen durch dieses lebenswichtige Filterorgan, das das Blut von Giftstoffen reinigt.
Mangelt es an Flüssigkeit, bleiben die Abbauprodukte im Körper. Das Wasser, das der Körper nicht mehr braucht, fließt zu guter Letzt durch die Harnleiter in die Blase. Hat sich dort genug angesammelt, müssen wir auf die Toilette. Bis zu eineinhalb Liter Wasser scheiden wir auf diesem Weg aus.
Und wie viel sollen wir nun eigentlich trinken? Im Schnitt sind es täglich 1,84 Liter – und damit etwa 20 Prozent weniger als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen. Denn als Faustregel für eine ausreichende Trinkmenge (in Millilitern) gilt: das Körpergewicht (in Kilogramm) mit mindestens 30, besser 40 zu multiplizieren. Ein 60 Kilogramm schwerer Mensch sollte demnach zwischen 1,8 und 2,4 Liter Wasser trinken.
Eine Rolle spielen natürlich auch Außentemperatur und körperliche Betätigung. So gibt Bettina Schulz (Freizeit-)Sportlern gerne mit auf den Weg: Wer sich vor und nach dem Sport wiegt, der kennt seinen Wasserverlust und sollte diesen dann ausgleichen. Das "American College of Sports Medicine" (ACSM) rät generell zu einer Flüssigkeitszufuhr von 0,4 bis 0,8 Litern pro Stunde während "intensiver Ausdaueraktivitäten".
Aber eigentlich kann man sich ansonsten schon auf seinen eigenen Durst verlassen", meint die Ökotrophologin, die eine Praxis für Ernährungsberatung in Dossenheim führt. Lediglich wer stark unter Stress stehe, müsse auch verstärkt aufs Trinken achten.
Ebenso ältere Menschen, da sie früher als andere ein Sättigungsgefühl durch Wasser empfänden. Für sie gelte die Devise: "Trinken, bevor der Durst kommt". Und zwar durchaus isotonische Lösungen, genau wie bei Sportlern auch. Alle anderen könnten ganz einfach den heimischen Wasserhahn aufdrehen, so Bettina Schulz. Das Leitungswasser hierzulande sei schließlich ausgezeichnet.