Eine Freundin prophezeite mir, dass ich dort mein Glück finden werde. In Form von Wohlbefinden, Selbstvertrauen und Achtsamkeit. Das Paradies liegt in Thailand, ist acht Hektar groß und sein Name ist pure Magie für mich: Kamalaya.
Es gibt Zeiten im Leben, da sollte man besonders gut auf seinen Körper hören. Und nur auf den. Ich habe diese innere Stimme vernachlässigt und fühlte im letzten Jahr meine Energie und Kreativität zunehmend schwinden. Aber ich habe weitergemacht, habe viel gearbeitet und war viel unterwegs. Ankommen, Abreisen - das Unterwegs-Sein genieße ich normalerweise sehr. Der Eindruck des Neuen und die Begegnungen mit interessanten Menschen, ihre spannenden Biografien hatten mich für die Reiseanstrengungen und die Jetlags immer entschädigt. Doch auf einmal fühlte ich nur noch die Pflichten, nicht mehr die Freude am Job.
Auf erste Warnzeichen achtete ich nicht. Erst als ein guter Freund mir klarmachte, dass es so nicht weitergeht, horchte ich auf. Ich begann nachzudenken. Wie lange wird es dauern, bis ich vollkommen bewegungsunfähig bin, bis meine Psyche mich lähmt und mein Körper sogar für ein moderates Sportprogramm viel zu müde ist? Ich hatte immer diese geballte Energie in mir. Doch jetzt fühlte ich mich erschöpft. Am besten ging es mir, wenn ich sehr lange schlafen konnte.
Und dann der Tipp meiner doch eher skeptischen Freundin. Die hatte eine Detox-Kur auf der Insel Koh Samui hinter sich. Im Kamalaya. Von dem Entgiftungsprozess, der ihren Körper und ihre Seele reinigte, zehrte sie noch immer. Ich entschied mich schließlich für das Balance und Revitalise-Programm, auch Burnout-Prävention genannt.
Ziel der Kur ist es, den unterschiedlichen Stressbelastungen des Alltags entgegenzuwirken, um damit einer zunehmenden Erschöpfung vorzubeugen. Unmittelbar nach Ankunft traf ich eine Gesundheitsberaterin zum Erstgespräch, die durch eine genaue Body-Mass-Index-Analyse (BMI) meine Behandlungsschwerpunkte festlegte. Auf meiner persönlichen To Do-Liste standen tägliche Behandlungen, die so schön klingen wie sie sich auch anfühlen: Shirodhara, der ayurvedische Stirnguss, Ölmassagen mit Fernblick, Stressabbau mit einem buddhistischen Mönch und eine Meditationsanleitung durch eine hinduistische Nonne. Die Erfahrung einer tiefenentspannten Reiki-Behandlung durch einen indischen Spezialisten rundeten die Therapiewoche ab. Insgesamt kümmern sich 350 Mitarbeiter, davon rund 100 Therapeuten, um maximal 120 Gäste.
Die "Brain-Health-Therapie" soll die Psyche stabilisieren.
Zwischen sieben bis 14 Tage vor Ort reichen im Normalfall aus, um die Seele, das Herz und die Psyche wieder in Einklang zu bringen. In den Unterkünften gibt es weder TV noch den Zugang ins Internet. Jeder Gast darf pro Tag nur eine Stunde online gehen. Dass keiner darüber klagte, verblüffte mich am meisten.
Für Alleinreisende gibt es den großen Gemeinschaftstisch im Restaurant. Doch nicht nur das: Abend für Abend wird erzählt und dabei oft erkannt, dass das Gegenüber genau die gleichen oder sehr ähnliche Gründe hat, sich eine Auszeit zu gönnen. Das "Du" gehört zum Umgangston. Die Offenheit, mit der man sich im Kamalaya begegnet, fasziniert. Einige kommen zum wiederholten Mal, um die Batterien des Lebens aufzuladen oder um sich einfach mal etwas Gutes zu tun. Auch Hollywood-Regisseur Oliver Stone gehört zu den Gästen. Fotografieren wird nicht gern gesehen, man möchte unter sich bleiben. Verständlich, denn unter den Besuchern sind nicht selten Top-Manager, Staranwälte, erfolgreiche Künstler oder Investment-Banker. Englische Sprachkenntnisse sind wünschenswert und so gut wie Voraussetzung. Das Essen ist Genuss pur. Chefkoch Kai Müller sorgt mit seiner 30-köpfigen Küchencrew für den guten Geschmack, egal ob à la "Detox", "vegetarisch" oder "ganz normal". Der gebürtige Chemnitzer bietet Menü-Optionen für alle Diät-Präferenzen. Zum täglichen Einerlei will danach keiner mehr zurück, soviel ist sicher. Deshalb bietet Müller seinen Gästen Kochkurse an. Die Erkenntnisse werden nach Hause getragen und umgesetzt, zumindest eine Zeit lang. Wichtig ist, dass die Gäste auch zuhause wissen, dass und wie es anders geht. Damit jeder die Möglichkeit hat, sich bewusst und gesund zu ernähren.
Das "Samahita" auf Koh Samui.
Es war John Stewart, der das Kamalaya im Jahr 2005 auf Koh Samui gründete. Er und seine Frau Karina, eine Ärztin, hatten vorher in Nepal gearbeitet. "Da gab es diese Wahnsinns-Energie", betont der gebürtige Kanadier. Er lacht, als er von früher erzählt, von den Anfängen in der Flower Power-Zeit. Den jungen Hippie zog es erst nach Kalifornien und dann nach Indien, wo er an den Berghängen des Himalaya für zehn Jahre als Hindu-Mönch in einer Höhle lebte. John Stewart kennt die Schattenseiten des Lebens, mit seinen eigenen langen und schweren Krankheiten, das Licht, das langsam erlischt und kaum Hoffnung auf ein Weiterleben zulässt. All diese Erfahrungen haben ihn an diesen Punkt der Erde gebracht, den er heute als seine Heimat bezeichnet.
Ein paar Kilometer Luftlinie entfernt liegt das Samahita Retreat. Es ist kleiner, individueller und familiärer. Für Yogis aus aller Welt ist es ein Begriff. Hier mache ich bereits zum dritten Mal Detox. Diesmal kombiniere ich es mit dem neuen und auf mich angepassten Brain Health-Programm. Den Morgen beginne ich mit Yoga und Workout, gehe später Schwimmen und mache danach die einstündige Entspannungsübung, die das Programm täglich vorgibt. Es besteht aus einer Licht- und Klangtherapie sowie dem Zusammenspiel von Alpha-Gehirnwellen, nach der die Gehirnfrequenzen gemessen werden. Der Betroffene erkennt, in welchem Zustand er sich psychisch gerade befindet. Das individuelle Stresslevel wird ebenso angezeigt wie innere Unruhe, Ausgeglichenheit sowie ruhige oder anstrengende Denkprozesse. Die Behandlung wird über Augenmaske und Kopfhörer ausgeführt. Danach wertet die Therapeutin die Ergebnisse aus und analysiert die Struktur der einzelnen Stresslevel. Dabei erfährt man viel über sich selbst und die rechtzeitige Vermeidung von depressiven Stimmungen. Die neue drei- bis zehntägige Therapie zu psychischer Gesundheit kann zu den unterschiedlichen Entspannungsprogrammen hinzu gebucht werden.
Die Ursachen von Stress und Unruhe lassen sich anhand der Frequenzen und Ströme ermitteln und können so identifiziert werden. Samahita-Gründer Paul Dallaghan untersucht dabei die Effekte, die Yoga auf die menschliche Psyche haben kann. Im Zuge dessen hat er das Brain Health-Programm zu ihrer Stabilisierung entdeckt und weiterentwickelt. "Das US-Militär nutzt es zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen", betont der Ire. Der 47-Jährige pendelt zwischen den USA, Indien und Thailand: "Ich selbst wende die Brain Health-Therapie täglich an. So kann ich am besten erkennen, wie konzentriert und ausgeglichen ich gerade bin." Denn wie man sein Gehirn am besten stimulieren kann, erfahre so jeder selbst. Ziel ist es, das Erlernte und seine positiven Eigenschaften im eigenen Alltag erfolgreich umzusetzen. Jeder könne es anwenden, lautet Dallaghans Botschaft. "Sogar meine Kinder sind begeistert", lacht er. "Denn wenn die Psyche gut arbeitet, wirkt sich das letztendlich auf alle Aspekte unseres Lebens und unserer Gesundheit aus."
In ein paar Wochen zu einem neuen Menschen werden? Geht das? Ich meine ja. Die Integration des Erlernten in den Alltag sowie das Gefühl der Zufriedenheit und des Glücks halten an. Zumindest bei mir. Wie lange noch? Keine Ahnung! Aber Kamalaya und Samahita sind nur zwölf Flugstunden entfernt.