Von Daniel Hund
Heidelberg. Marktplatz in Neuenheim. Die Luft steht, die Hitze drückt. Zwei Männer sitzen im Café und unterhalten sich. Es geht um sportliche Autos. Genauer: Um Limousinen mit viel Platz und noch mehr Dampf. Markennamen fallen viele, Modelle auch. Doch es dauert nicht lange, und sie bleiben an einem ganz speziellen hängen. An einem Kultgeschoss. Einer Rakete, die PS-Fans seit ziemlich genau 30 Jahren süße Träume beschert. Na, wer könnte gemeint sein? Richtig, es geht um den M5. Der Kraftprotz aus dem Hause BMW. Der macht 2015 nun die drei Jahrzehnte voll.
30 Jahre auf der Überholspur. Eine lange Zeit, in der Geschwindigkeit und Leistung neu definiert wurde. Immer schneller wurde es.
Gerade der M5 zeigt das. Los ging es 1985: mit 286 PS. Damals gigantisch, heute nicht der Rede wert. Zum Vergleich: Die aktuelle, die fünfte Generation, krallt sich mit 560 Pferdestärken und 680 Newtonmetern in den Asphalt. F10 heißt die. Und zum Jubiläum im kommenden Jahr setzt die M-Schmiede nun sogar noch einen drauf. Pünktlich zum 30. Wiegenfest rollt eine Jubiläumsedition vom Band. 600 PS stark und auf 300 Exemplare limitiert. Oder anders: Wer sich den stärksten Serien-BMW aller Zeiten in die heimische Garage stellen will, muss Gas geben.
Zurück zum F10, der seit 2011 gebaut wird. Hier beweist BMW mal wieder, dass weniger eben doch mehr sein kann. Anders als noch in der vierten Generation schlummern mittlerweile nur noch acht Zylinder unter der Motorhaube der "Familienkutsche". Vorher waren es zehn. Ein Schritt zurück? Nicht wirklich! Denn gleichzeitig ging es auch zwei nach vorne. Aus 507 PS wurden 560. Macht 53 mehr - und die spürt man, Biturbo-Aufladung sei Dank. Auch der Hubraum konnte somit etwas eingedampft werden. Von 5,0 auf 4,4 Liter. Aus dem Grund für den Konzeptwechsel macht die M-GmbH übrigens kein Geheimnis. So biete ein turboaufgeladener Ottomotor momentan bessere Möglichkeiten bezüglich Leistungs- und Effizienzsteigerung als das vorherige Saugerprinzip. Wie auch immer, entstanden ist ein Dampfhammer, der vieles kann. Ganz schön grollen und bollern, aber eben auch schnurren wie ein Kätzchen. Je nach Lust und Laune, quasi per Gaspedal steuerbar.
Die Praxis: Sonntagmorgens, kurz nach 5 Uhr. Deutschland schläft. Träumt schlecht: Das WM-Trauerspiel gegen Ghana ist gerade ein paar Stunden alt. Die A67, kurz nach dem Viernheimer Kreuz. Es geht einfach nur geradeaus, ohne Bodenwellen, dreispurig. Das muss einfach ausgenutzt werden. Also: Raus aus dem Automatikmodus, rüber zu den Wippen am Lenkrad. Jetzt werden die Gänge regelrecht reingeschmettert. Wie von der Tarantel gestochen prescht er vor, der M5. Nun zeigt die hinterradangetriebene Wuchtbrumme, was in ihr steckt. Die Tachonadel nähert sich unaufhaltsam der 200-km/h-Marke. Für viele Autos, die als sportlich bezeichnet werden, ist das schon eine Art magische Grenze. Ab der es dann eher schleppend vorwärts geht. Nicht beim M5, nicht im 560-PS-Flitzer. Der brettert einfach weiter, fliegt förmlich über die Autobahn. Doch plötzlich wird es brenzlig: Einer, der eigentlich nicht mehr schläft, döst auf der Autobahn weiter, zieht mit seinem Kombi - trotz freier Fahrt - von ganz rechts nach ganz links. Mit gefühlten 100 km/h.
Ein echter Härtetest für die Bremsanlage, und die hält, was sie verspricht: Dank ESP-Unterstützung wird aus einem kurzen Schlingern schnell wieder ein stabiles Gleiten. Wach ist man noch dazu. Leicht zittrig aber auch. Also runter von der Autobahn, rauf auf die Landstraße. Die eignet sich im Morgengrauen nahezu perfekt für ein paar kurze Zwischensprints. Packt es der M-Pfeil tatsächlich in 4,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h? Schließlich ist er mit knapp zwei Tonnen kein Leichtgewicht.
Los geht's. Stoppuhr an. 1. Versuch: 4,5 Sekunden. 2. Versuch: 4,6. 3. Versuch: 4,4. Durchgefallen? Eher nicht. Wahrscheinlich lag es am Stopper auf dem Beifahrersitz: Einem knapp zwei Meter großen und 120 Kilogramm schweren Autonarr. Oder der Handy-Stoppuhr. Oder einfach am nicht ganz so professionellen Messverfahren.
Interessant macht den M5 aber auch noch etwas anderes: seine Optik. Denn anders als viele Autos in seiner Gewichtsklasse, sieht man ihm die Power nicht an. Dezent kommt er daher. Gut, da ist diese Spoilerleiste am Kofferraum, die Lufteinlässe an den Flanken oder auch die aggressivere Front - aber sonst? Prollig ist definitiv anders.
Auch an Bord hat er einiges. Sicherheit wird großgeschrieben. Komfort sowieso. Selbst eine Soft-Close-Automatik an den Türen ist zu haben. Ferner sind eine dynamische Dämpferkontrolle, die M-spezifische Servotronic-Lenkung und die Fahrstabilitätsregelung DSC mit sogenanntem M Dynamic Mode serienmäßig. Oder anders: Eigentlich gibt es so gut wie nichts, was er nicht hat.
Auch wenn es um die Alufelgen geht, hat der Denker und Lenker die Qual der Wahl. 19 und 20 Zollräder sind zu haben. In Schwarz, in Silber, in Bicolor-Optik. Besonders beeindruckend sind die schwarzen, was sicher auch an den goldenen Bremssätteln liegt. Eine Kombination, die es in Verbindung mit den 295er Breitreifen auf der Hinterachse in sich hat. Ein echter Blickfang.
Fazit: Mit dem M5 vereint BMW Alltagstauglichkeit und Sportlichkeit. Vom Familienausflug bis hin zum Geschwindigkeitsrausch auf der linken Spur - der M5 ist für alles offen. Der Testverbrauch lag bei akzeptablen 11,1 Litern. Wobei der sich natürlich gerade auf der linken Spur spielend leicht nach oben schrauben lässt.