Ist die Kipp für den Ruheforst geeignet?

23.06.2021 UPDATE: 24.06.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Eigentlich ist, zumindest kommunalpolitisch, der Bestattungswald in trockenen Tüchern. Aber es mehren sich auch kritische Stimmen, nicht nur die von Andreas Morgenroth vom Dachverband der Friedhofsvereine. Auch Andrea und Klaus Hartmann haben schwere Bedenken gegen das Vorhaben. Beide kennen den Wald auf der Kipp gut, denn sie gehen dort seit 21 Jahren jagen, seit zwölf Jahren sind sie hier Jagdpächter. Das mag ihnen den Vorwurf eintragen, dass sie aus reinem Eigennutz den Bestattungswald verhindern wollen. Denn schließlich dürfte der als befriedeter Bezirk nicht mehr bejagt werden – einmal abgesehen davon, dass sie offiziell darüber noch gar nicht informiert wurden. Ihre Eigeninteressen als Jäger geben sie auch offen zu, aber sie verweisen auch auf die ökologischen Folgen, sollte das Areal auf der Kipp – der Flurname ist Schleichwald – einmal sein Gesicht verändern.

Andrea Hartmann verweist auf das viele Totholz, das als Rückzugsraum für viele Tierarten wie zum Beispiel Feuersalamander und zusammen mit dem Moos als Wasserspeicher dient – und das dann wahrscheinlich komplett weichen müsste. Und was wird aus den Nadelbäumen? Erstens haben sie eine kürzere Lebensdauer und sind in Ruheforsten angeblich nicht so gern gesehen. Und zweitens würde durch die Urnenbestattungen ihr bodennahes Wurzelwerk beschädigt. Andernorts würden in Bestattungswäldern schon die Bäume sterben, wie beispielsweise in Gießen. Allerdings litten diese Bäume unter der Trockenheit, wie auch der Rest des Waldes. Bedenklicher könnte der Zustand der Eichen sein, die als Bestattungsbäume besonders beliebt sind. Zumindest die, die direkt am Wanderweg auf der Kipp stehen, machen keinen sehr vitalen Eindruck mehr.

Fragt man Revierförster Walter Pfefferle nach dem Zustand des Schleichwaldes, sagt der, dass es praktisch kaum Unterschiede zu anderen Flächen gebe: "Eigentlich wie überall. Die Trockenheit schädigt die Vitalität der Bäume." Durch die Höhenlage regne es allerdings auf der Kipp eher mehr als in Richtung Ebene. Für die Forstwirte wirkt sich ein Bestattungswald am ehesten dadurch aus, dass er nicht mehr bewirtschaftet wird, also kein Holz mehr eingeschlagen wird. "Wirtschaftlich ist das kein Schaden", sagt Pfefferle, "die Pacht eines Bestattungswaldes ist höher als der Holzerlös." Einen größeren Eingriff in den jetzigen Waldbestand erwartet der Förster nicht: "Es soll ja möglichst naturbelassen bleiben." Einen besonderen Schutzstatus, also etwa als Wasser-, Vogelschutz- oder Biotopgebiet, gebe es auf der Kipp nicht.

Und doch sehen die Hartmanns die Einrichtung eines Bestattungswaldes als schweren Eingriff in das Gefüge der Natur. Zumal die Wälder und das Wild gerade seit Pandemiezeiten einen Ansturm erleben und nicht mehr richtig zur Ruhe kommen. Da seien die geplanten 150 Bestattungen im Ruheforst auch nicht gerade hilfreich, sagt Andrea Hartmann.

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Einmal abgesehen davon: So viele Beerdigungen bedeute auch mehr Verkehr in Altenbach – was angesichts der neuerlichen Debatte "Tempo 30 in der Hauptstraße" gar nicht bedacht worden sei. Apropos Lärm: Wer garantiert, so fragt Hartmann, eine halbwegs stille, würdevolle Beisetzung in unmittelbarer Nähe des Schützenhauses und des Motorsportclubs?

Kurz, für die Hartmanns ist das Gelände generell ungeeignet: "Laut, ökologisch sensibel, steinig, steil und ungünstig gelegen." Andrea Hartmann wundert sich, weswegen die Naturschutzverbände Nabu und BUND nicht ihre Stimme gegen Bestattungswälder erheben und wieso auch die Grünen auf einmal dafür sind. Klaus Hartmann, der Vorsitzende der Freien Wähler ist, aber in dieser Angelegenheit als reiner Privatmann spricht, meint sarkastisch: "Es gibt eine politische Gruppierung, die die Natur mit Füßen tritt."