Hintergrund - Wegweisende Hartz-Urteile

Wegweisende Hartz-Urteile

11.01.2019 UPDATE: 11.01.2019 21:23 Uhr 1 Minute, 34 Sekunden

Wegweisende Hartz-Urteile

> Kinder haben eigenen Bedarf

Im Februar 2010 kritisiert das Bundesverfassungsgericht die bisherige Festlegung der Hartz-IV-Sätze als intransparent und zum Teil "freihändig" geschätzt. Auch die Kopplung an die Entwicklung der Rente wird als unzulässig verworfen. Künftig muss der Satz regelmäßig anhand des konkreten Bedarfs berechnet werden - und eigene Sätze für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersstufen eingeführt werden. Bis dahin gab es einen festen Prozentsatz des Erwachsenenbetrags. Kernsatz des Urteils: "Kinder sind keine Erwachsenen." (1 BvL 1/09).

Eine nach langem Streit beschlossene Neuregelung - mit dem neuen Bildungs- und Teilhabepaket - billigt Karlsruhe im 2014 als "noch verfassungskonform" - fordert aber für 2016 Nachbesserung u.a. bei Strompreisen und Verkehr sowie Zuschüsse für Geräte wie Kühlschrank und Waschmaschine (1 BvL 10/12).

> Einkommen von Angehörigen zählt mit

Bei der Zahlung von Hartz-IV darf der Staat das Einkommen von Angehörigen im gleichen Haushalt berücksichtigen, urteilte Karlsruhe im Juli 2016. Es ging um einen 21-Jährigen, der nur 80 Prozent des Satzes bekam, weil sein Vater 615 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente erhielt. Der Staat dürfe von Eltern und Kindern gegenseitiges Einstehen verlangen, so das Gericht, auch ohne formale Unterhaltspflicht. Bis 2006 gehörten nur Kinder unter 18 zur "Bedarfsgemeinschaft", seither bis zum Alter von 25 Jahren. Die Richter bestätigten dies, machten aber klar: Wem die Eltern die Unterstützung verweigern, der darf ohne Sanktionen von zu Hause ausziehen. (Az. 1 BvR 371/11)

> Schulbücher gibt es extra

Schulbücher muss das Jobcenter gesondert bezahlen - die Pauschale von 100 Euro im "Schulbedarfspaket" deckt dies nicht ab. So hat es das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Ende 2017 entschieden. Geklagt hatte eine Gymnasiastin, die 135 Euro für Schulbücher brauchte. Das Gericht bestätigte: Bücher sind nicht Teil der Pauschale. Und die im Regelsatz vorgesehen 3 Euro pro Monat reichen längst nicht. Das sei "eine planwidrige Regelungslücke", so das Gericht. Der Fall liegt nun beim Bundessozialgericht. (Aktenzeichen. B 14 AS 6/18 R)

> Miete nicht unbegrenzt

Das Jobcenter zahlt Hartz-IV-Empfängern Miete nur in begrenzter Höhe - zurecht, wie das Verfassungsgericht im Oktober 2017 befand. Die Beschränkung auf "angemessene" Höhe sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Was das heißt, muss vor Ort festgelegt werden. Geklagt hatte eine Frau aus Freiburg, deren 77-Quadratmeter-Wohnung im Jahr 2009 rund 640 Euro (warm) kostete. Das Jobcenter zahlte nur 439 Euro. (1 BvR 617/14)

> Umstrittene Jobcenter

Bundesagentur und Kommunen betreiben die Jobcenter gemeinsam - dies war aber zunächst verfassungswidrig und wurde erst durch eine Grundgesetzreform 2010 behoben. Daneben gibt es bis zu 110 "Optionskommunen", die das Jobcenter selbst. Weitere klagten auf das Recht, dies auch zu tun - vergeblich. (hol)