Hintergrund: Räte schließen nichts mehr aus

Stimmen zum Nachtragshaushalt deuten drastische Maßnahmen an, ohne konkret zu werden

22.10.2020 UPDATE: 22.10.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 22 Sekunden

Sinsheim. (tk) Das ließ nichts Gutes ahnen: Die Einbringung des Haushaltsentwurfs der Großen Kreisstadt Sinsheim fürs Jahr 2021, sie wurde – obwohl zunächst als Tagesordnungspunkt der jüngsten Gemeinderatssitzung angesagt – vertagt. Vorausblickend stellte Oberbürgermeister Jörg Albrecht aber in den Raum, im kommenden Jahr "gemeinsam eine Lücke von 20 Millionen Euro schließen" zu müssen. Die Fraktionen nahmen am Dienstagabend lediglich zum Nachtragshaushalt Stellung.

Nachtragshaushalte sind nichts Neues, wusste CDU-Fraktionschef Friedhelm Zoller. Allerdings sei die Dramatik selbst in der Finanzkrise 2009 und 2010 "nicht ganz so hart gewesen" wie jetzt. Wie alle anderen Fraktionen, stimmten die Christdemokraten dem Zahlenwerk ohne Enthaltungen zu: "Keine andere Möglichkeit, keine andere Wahl", sagte Zoller.

Dichterisch frei an Heinz Ehrhard anknüpfend, versuchte sich Freie-Wähler-Sprecher Harald Gmelin in "Galgenhumor": Er sprach vom "bösen Chinavirus" und prägte den Ausdruck der "kleinsten Brötchen", die man backen müsse: "Leisten können wir uns nichts." Die Einschnitte und Sparmaßnahmen müssten mit einem Höchstmaß an Transparenz besprochen und öffentlich vermittelt werden. Nur so könne man auf Akzeptanz hoffen.

Strukturwandel angemahnt

Mahnend klang SPD-Sprecher Michael Czink: Sein Fingerzeig war "ein Kindergarten für sechs Millionen Euro", der vom Gremium kürzlich auf den Weg gebracht worden war. "Alles sollten wir nicht an der Corona-Krise festmachen" heißt ein Fazit von ihm. Wie zuvor Kämmerer Ulrich Landwehr, sah auch Czink "strukturelle Probleme" in der Großen Kreisstadt und ihren Ortsteilen. Man müsse in Zukunft "einen gewissen Strukturwandel einleiten". Ins selbe Horn stieß Alexander Hertel, Sprecher von Aktiv für Sinsheim: Der "Blick in die Vergangenheit" schmecke ihm jetzt besonders "bitter". Den "Kampfbegriff von den strukturellen Maßnahmen" müsse man jetzt in den Mund nehmen, forderte Hertel und sagte bedeutungsschwer, dass es nun "spannende Wettkämpfe geben" werde.

Sozial und versöhnlich klang Grünen-Rätin Anja Wirtherle: Sie griff das zuvor geforderte "Streichkonzert" auf, das ihrer Ansicht nach "mit Verstand" sowie um- und weitsichtig vorgenommen werden muss. Wirtherle wünscht sich, dass "harte Diskussionen, aber in einem guten Klima" geführt werden.

Kein Ratsmitglied ging indessen ins Detail, was unter "strukturellen Maßnahmen" zu verstehen ist: Insider gehen davon aus, dass es Einrichtungen, die bislang in jedem Stadtteil vorhanden sind, künftig nicht mehr überall geben wird.