Hintergrund Heidelberg Historic Mosbach

11.07.2019 UPDATE: 11.07.2019 20:00 Uhr 1 Minute, 8 Sekunden

Es geht auch im Blindflug

Nachhaltigkeit fährt bei einem Oldtimer ja eigentlich automatisch mit. Denn wer ein Automobil, das einst unter Einsatz wertvoller Rohstoffe und Unmengen von Energie hergestellt wurde, erhält, der handelt durchaus nachhaltig. Vom Kulturgut mal ganz abgesehen. Bei der Oldtimerrallye "Heidelberg Historic" lassen sich seit vielen Jahren die erhaltenen Kulturgüter bestaunen – und zudem nachhaltige Eindrücke gewinnen. Unter anderem der, dass man auch mit einem schweren Handicap ehrgeizige Ziele verfolgen und erreichen kann.

Bei der Heidelberg Historic 2010 lieferte Enrico Mussinelli den beeindruckenden Beleg: Da sagte der damals 30-Jährige nämlich an, wo es langgeht. Obwohl er selbst gar nicht sehen konnte,wo es hingeht, kein Stück davon. Von Geburt an blind, saß der Italiener auf dem Beifahrersitz eines 200 PS starken Audi Quattro – und wies seinem Piloten den Weg. Was unglaublich klingt, funktionierte bestens: Luciano Viaro, mehrfacher Mille-Miglia-Sieger, konnte sich im wahrsten Sinne des Wortes blind auf seinen Co-Piloten verlassen. Mussinelli gab die Kommandos, Viaro setzte sie um. Die RNZ durfte seinerzeit einen Teil der Rallye-Etappe durch den Odenwald mitfahren. Und dabei staunend die Erkenntnis gewinnen, wie ein blinder Mensch seinen sehenden Partner navigieren kann.

"Ohne Enrico hätte ich keine Chance", hatte Luciano Viaro damals ganz offen eingeräumt. Trotz Sehkraft und einem überragenden Gefühl fürs Auto, sei er auf der Strecke selbst "völlig blind". Wie treffend ein tatsächlich Blinder – Enrico Mussinelli – dann die notwendigen Anweisungen gab, hinterließ nachhaltig Eindruck. Aus dem in Blindenschrift übersetzten Roadbook zog der Co-Pilot mit dem vermeintlichen Handicap blitzschnell die richtigen Schlüsse, denen umgehend die passenden Hinweise für seinen Nebenmann folgten. Beeindruckend. Ebenso wie die Fahrweise des erfahrenen Rallyeprofis aus Italien. Die Spitzkehren bei Nüstenbach oder zwischen Reichenbuch und Neckargerach sind von einem äußerlich recht harmlos wirkenden Audi wohl nie zuvor schneller genommen worden. Und wohl auch nie mehr nach Luciano Viaro. (schat)