Hintergrund - Drei Gründe für Heidelberg: Straßenbahn, Kanalisation und Farrenstall

Was im Eingemeindungsvertrag zwischen Wieblingen mit Heidelberg vereinbart wurde - Gemeindesekretariat wurde erst 60 Jahre später als Bürgeramt wieder eröffnet

13.01.2020 UPDATE: 13.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Drei Gründe für Heidelberg
Straßenbahn, Kanalisation und Farrenstall

Von Walter Petschan

Wieblingen. Nachdem die Regelung der Allmendfrage in das staatliche Gesetz ausgelagert worden war, umfasste der Vertrag zwischen der Stadt Heidelberg und der Gemeinde Wieblingen vom 18./23. Dezember 1919 noch 19 Paragrafen. Wichtig für die Wieblinger war sicher, dass im Alten Rathaus ein Gemeindesekretariat bestehen blieb, wo "sämtliche gemeindegerichtlichen Geschäfte, Beglaubigungen und dergleichen" im Ort selbst erledigt werden konnten. Dieses Sekretariat bestand, bis es 1931 entgegen dem Eingemeindungsvertrag aufgelöst wurde. Fortan mussten die Wieblinger jeden kleinen Verwaltungsakt in der Stadt erledigen. Erst 1993, also nach über 60 Jahren, kehrte das Gemeindesekretariat als "Bürgeramt” wieder an seinen alten Platz zurück.

Im Eingemeindungsvertrag wurde festgelegt, dass die Beamten und Angestellten in den städtischen Dienst übernommen und dabei finanziell nicht schlechter gestellt werden sollten als bisher. So wurde der Ratsschreiber Theodor Schlez weiterhin im Gemeindesekretariat als Ratsschreiber für den neuen Stadtteil weiterbeschäftigt und sein Stellvertreter Wilhelm Treiber ins städtische Grundbuchamt übernommen. 1924 folgte Treiber seinem ehemaligen Chef als letzter Wieb-linger Ratsschreiber nach.

Der örtliche Friedhof sollte, "solange er ausreicht", beibehalten werden. Als er in den 1960er Jahren geschlossen und die Wieblinger auf dem Kirchheimer Friedhof bestattet werden sollten, kämpfte der Stadtteilverein erfolgreich dagegen an. Heute hat Wieblingen sogar zwei Friedhöfe.

Die Wieblinger befürchteten offenbar auch eine Anhebung der Gebühren; denn sie erreichten, dass in den schon angelegten Straße die Anlieger "nur zur Kostentragung gemäß den seither für Wieblingen geltenden Grundsätzen herangezogen werden" durften und dass für den Wasserbezug "der seitherige Wasserzinstarif bis auf Weiteres maßgebend" sei.

Zum Hauptanliegen der Wieblinger wurde vereinbart: "Die elektrische Bahn muss sofort hierher bis an das untere Dorfende weitergeführt werden." Das war schon eine Verkleinerung des ursprünglichen Planes, die Bahn "bis an die Gemarkungsgrenze", also bis Edingen, zu führen. Aus dem versprochenen "sofort" wurden jedoch sechs Jahre; am 17. März 1926 wurde die Bahn eröffnet – eingleisig und im Ein-Stunden-Takt.

Dass Wieblingen noch stark landwirtschaftlich geprägt war, zeigen die Vereinbarungen, dass "die nötigen Zuchtfarren, Ziegenböcke und die Schweinefassel" im Ort untergebracht bleiben sollen, dass die Dung- und Latrinenabfuhr direkt auf das Feld, "dem Bedürfnis eines landwirtschaftlichen Ortes entsprechend, uneingeschränkt bleiben" solle, dass Hausschlachtungen weiter gestattet sowie Brücken- und Viehwaage bestehen bleiben sollten. Der städtische Farrenstall sowie die Waagen wurden in den 1960er Jahren trotz des Protests der Bauern eingestellt. Andere Paragrafen blickten weiter in die Zukunft und sorgten für die Modernisierung des Ortes: die Kanalisation und die Elektrizität sollten "tunlichst bald eingeführt" werden. Bis dahin gab es nur die Versorgung mit Gas.

Da zur Zukunft auch die Bildung der Kinder gehört, versprach die Stadt, "die Kleinkinderschulen und die Schwesternstationen in gleicher Weise zu unterstützen wie seither die Gemeinde Wieblingen", ebenso "die Überführung der Schulverhältnisse in die Verhältnisse der städtischen Schule in gleicher Weise, wie dies für Handschuhsheim seinerzeit geschehen ist". Damit war die Einführung des sogenannten "erweiterten Unterrichts" gemeint, wofür mehr Schulräume und mehr Lehrkräfte nötig waren als bisher.

Weitblickend war sicherlich die Festsetzung, dass "durch rechtzeitiges Zusammenlegen von Gelände Gelegenheit zum Bauen zu geben" sei. Man hatte wohl erkannt, dass dies durch die starke Zersplitterung des Bodens verhindert wurde.

Und schließlich legte jeweils ein eigener Paragraf fest, dass das Kirchweihfest, also die Kerwe, auch für die Zukunft bestehen bleiben und dass ein Wochenmarkt nach Bedarf eingeführt werden solle. Zum Wochenmarkt ist es in Wieblingen nie gekommen, und die Kerwe gibt es heute nicht mehr. An diesen beiden Punkten ist zweifellos nicht die Stadt Heidelberg schuld.