Hintergrund Bundesverfassungsgericht Karlsruhe

06.09.2021 UPDATE: 06.09.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 19 Sekunden

So arbeitet das höchste Gericht

An diesem Dienstag wird Deutschlands höchstes Gericht 70 Jahre alt. Der "oberste Hüter des Rechts", wie es Kanzler Konrad Adenauer (CDU) zur Einweihung formulierte, ist zugleich selbst ein Verfassungsorgan. Hintergründe:

> Für alle Bürger da: Grundsätzlich können alle Bürger Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen, wenn sie ihre eigenen Grundrechte durch den Staat verletzt sehen. Das passiert derzeit etwa 6000 Mal im Jahr. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet aber auch bei Konflikten zwischen Bundesorganen und prüft Gesetze.

> Verfahren über Verfahren: Die Überprüfung eines Gesetzes durch das Gericht wird Normenkontrolle genannt. Eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle kann nur eine Bundes- oder Landesregierung oder mindestens ein Viertel der Bundestagsabgeordneten beantragen. Karlsruhe prüft die Rechtsnormen dann auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung. Daneben gibt es die konkrete Normenkontrolle. Sie kann von einem anderen Gericht beantragt werden, das ein bestimmtes Gesetz für verfassungswidrig hält.

Wenn sich zwei Bundesorgane uneins über ihre Rechte und Pflichten sind, kann ein Antrag auf ein Organstreitverfahren gestellt werden. Berechtigt sind dazu neben Bundestag und Bundesrat die Regierung, die Kanzlerin, der Bundespräsident, Minister sowie Abgeordnete, Parteien und Bundestagsfraktionen. Weitere wichtige Verfahrensarten sind Bund-Länder-Streitigkeiten, Parteiverbotsverfahren und Wahlprüfungsbeschwerden.

> Wie entschieden wird: Eine Verfassungsbeschwerde muss erst einmal angenommen werden. Darüber entscheidet eine Kammer, die mit drei Richtern besetzt ist. Sie muss sich einig sein. Wenn die Sache verfassungsrechtliche Bedeutung hat, muss sie zur Entscheidung angenommen werden, ebenso wenn dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Betreffenden angezeigt ist.

Die Kammer kann der Verfassungsbeschwerde auch direkt stattgeben, wenn über die grundsätzliche Frage vom Gericht schon einmal entschieden wurde. Ansonsten entscheidet der zuständige Senat, bei Verfassungsbeschwerden ist es meist der erste Senat. Für die übrigen Verfahrensarten und spezielle Beschwerden, bspw. im Asylbereich, ist der zweite Senat zuständig.

> Die Besetzung: Das Gericht besteht aus zwei Senaten mit je acht Mitgliedern. Diese werden zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Ihre Amtszeit beträgt höchstens zwölf Jahre bis zum Erreichen der Altersgrenze, wiedergewählt werden können sie nicht. An der Spitze des Gerichts steht derzeit der Heidelberger Stephan Harbarth, der dem ersten Senat vorsitzt.