Erzwungenes Umdenken

10.03.2021 UPDATE: 10.03.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 8 Sekunden

Erzwungenes Umdenken

Stefan Mappus, damaliger CDU-Ministerpräsident, kam 2011 zur Mittelstandskundgebung des Schriesheimer Mathaisemarkts. Volksfeststimmung, volles Festzelt, Hähnchenduft. Zwei Wochen vor der Landtagswahl wollte Mappus noch mal richtig Gas geben. Doch dieser 14. März 2011 war auch drei Tage nach der Katastrophe von Fukushima. Plötzlich dominierte ein ganz anderes Thema. Und schon beim traditionellen Kaffeetrinken im Hotel "Weinstuben Hauser" musste sich der Festredner erklären. Wer hätte gedacht, dass er ausgerechnet im beschaulichen Schriesheim eine Kehrtwende in der Energiepolitik vollziehen muss, nachdem die Kanzlerin am gleichen Tag mit ihrem Moratorium für die Laufzeitverlängerung der Atommeiler vorgelegt hatte?

Mappus galt bis dahin als deren leidenschaftlicher Verfechter. Jetzt ist er genötigt, vor dem goldgerahmten Alpenpanorama in Öl zu sagen, er glaube schon, dass es beim Thema Kernkraft "eine Zäsur" gegeben habe und dass er seine Position "hinterfragen" müsse. Daher sei die Aussetzung der Laufzeitverlängerung richtig. Es sei auch richtig, "alles neu zu bewerten" und Inspektoren in die Atomkraftwerke zu schicken. Man könne angesichts Zehntausender Toter nicht sagen: "Die Kraftwerke sind sicher, das war’s, und weiter so".

Doch aus dem erzwungenen Einsichtsmodus schaltete er schnell auf Angriff. Wenn man aus der Kernkraft aussteigen wolle, müsse man anderes schneller voranbringen, "Netze für erneuerbare Energien zum Beispiel". Da sah er die Grünen in der Pflicht: "Denn ich mache die Arbeitsteilung nicht mit, dass die CDU für die Netze und die Grünen für den Ausstieg aus der Kernkraft zuständig sind."

Sprach’s, stand auf und ging draußen an einer Handvoll Demonstranten vorbei, die "Abschalten!" riefen. "Die werden auch immer leiser", sagte Mappus noch und betrat unter Jubel das Festzelt. Später erhob man sich für eine Gedenkminute. Doch dann war der Ministerpräsident schnell bei anderen Themen. Langer Applaus nach 30 Minuten. Gebracht hat es trotzdem nichts, wie man weiß. (cab)