Von Lisa Wieser
Wiesloch. Kunsthallen bleiben geschlossen, Vernissagen wurden abgesagt, Ausstellungen, auf die sich Kunstschaffende seit Jahren vorbereitet haben, sind auf unbestimmte Zeit verschoben. Künstler und Künstlerinnen erleben durch die Corona-Pandemie eine bis dahin unbekannte Veränderung, die Existenzen nicht nur finanziell bedroht. Gleichzeitig bietet die "erzwungene Pause" auch die Chance, Dinge neu zu betrachten. Wir haben zwei Wieslocher Künstlerinnen gefragt, wie sie diese Zeit erleben, nützen, und welche Gedanken sie mit ihr verbinden.
Die Künstlerin Monika Klein lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Wiesloch. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Kaltnadel- und Aquatinta-Radierungen, die in vielen regionalen und überregionalen Ausstellungen präsent sind. Galeristen sind an ihren Arbeiten interessiert und es gibt Öffentliche Ankäufe, unter anderem durch das Bundesministerium der Justiz in Berlin, das Kulturamt der Städte Heidelberg und Wiesloch, das Regierungspräsidium, die Städtische Galerie in Karlsruhe oder SAP Walldorf.
Die mit dem Willibald-Kramm-Preis ausgezeichnete Künstlerin ist unter anderem auf der ART Karlsruhe und der "Biennale dell’Incisione Italiana e contemporanes" in Venedig vertreten. Sie ist Mitglied im BBK und in der GEDOK Heidelberg, in der Künstlergruppe 79 und im Künstlerbund Rhein-Neckar. Bis heute unvergessen ist ihre großformatige Grafik, die das Zimmertheater Heidelberg als Bühnenbild für die Inszenierung des Stückes "Einst ein Tiger" verwendete, das 2014 uraufgeführt wurde. Die Künstlerin ist wie viele andere vom "Kunststillstand" wegen der Corona-Pandemie betroffen. Sie nützt trotzdem die erzwungene Pause und entdeckt dabei Dinge, "die in den hintersten Schubladen der Vergessenheit ruhten".
Verarbeiten Sie diese Zeit auch kreativ, lautet die Frage. Monika Klein: "Ich sortiere aus, räume auf und befreie mich von vielem, was sich in den Jahren angesammelt hat und mich nicht mehr interessiert. Auf meine Arbeit hat das Virus keinen Einfluss. Es war schon immer ein langer Weg vom Entwurf bis zur fertigen Arbeit. Daran hat sich nichts geändert." Neu ist, dass sie seit vielen Jahren wieder näht. Früher hat sie sich damit Taschengeld verdient, durch ihre Kunst ist es aber in den Hintergrund getreten.
Beeinflusst Sie trotzdem die Corona Krise? "Meine Gefühle sind zwiespältig. Einerseits ist es auch jetzt ein großes Glück, kreativ zu sein, sich nur auf die Arbeit zu konzentrieren und alles andere auszuschalten. Aber dann kommen wieder Momente des Frusts. Wie geht es weiter? Für wen oder was arbeite ich? Nur für mich? Kunst braucht doch auch Resonanz", sagt sie und zitiert den Spruch: "Die Kunst findet im Auge des Betrachters statt". Das eine nicht ohne das andere, wie so oft! Sie denkt, dass "erfüllendes Schaffen die eine Seite, und der Austausch und Dialog die andere Seite ist". Wie viele andere Künstler hat sie auf die Ausstellung "überwiegend grün" im Forum für Kunst Heidelberg hingearbeitet. "Ein wunderbarer hoffnungsvoller Titel in dieser Zeit", findet sie. Doch die Vernissage wurde abgesagt! "Die Arbeiten können zwar über Videos im Netz oder durch die Fenster eingesehen werden. Aber wer ist denn in der Stadt noch unterwegs? Und was erfahre ich vom Betrachter, was denkt und sagt er?"
Die Folgen der Corona-Pandemie schätzt sie als verheerend ein, weil Ausstellungen, Messen, Vernissagen und Vorträge abgesagt, und Galerien, Museen, Kunstvereine, Händler für Rahmen und Künstlerbedarf geschlossen haben. "Nur große Galerien, die bekannte Namen vertreten, für die viel Geld geboten wird, werden überleben. Aber was wird aus den kleineren Galerien, die regionalen Künstlern eine Chance bieten? Die Krise macht deutlich, wie viele Sparten vom Künstler und seiner Arbeit abhängig sind. Nach dem Ende der Einschränkungen haben die Menschen wahrscheinlich andere Sorgen. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis sich der Markt erholt hat."
Und die Wieslocher Künstlerin Claudia Urlaß? Einen Tag, bevor Claudia Urlaß ihre Gedanken zu diesem Thema mitteilte, hatte sie Geburtstag. Gefeiert wurde wegen der Corona-Pandemie nicht, ein nachträglicher Glückwunsch geht deshalb auch von dieser Stelle aus an sie! Claudia Urlaß, 1984 in Heidelberg geboren, war nach ihrem Studium an der Kunstakademie Karlsruhe Meisterschülerin bei Prof. Silvia Bächli und Michel Gholam. Sie wirkt an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen mit, unter anderem in Kunstverein Heidelberg, der Karlsruher Künstlermesse des Regierungspräsidiums, in der Kanzlei Tiefenbacher in Heidelberg oder bei "Atelier und Künstler" im Kommandantenhaus Dilsberg, und gestaltete im Rahmen von Kunst am Bau "Die zwei Betonwände" in der Schwetzinger Straße in Wiesloch.
Über ihre Kunst sagt sie, dass es um die Wirkung von Strukturen und Materialien geht, das Thema "Entschleunigung" eine wichtige Rolle spielt und in fast allen ihren Arbeiten auftaucht. Anfang Mai 2020 war eine Ausstellung im Museum Kerg in Schriesheim geplant, die Claudia Urlaß und andere Künstler mit Tom Feritsch auch in Memoriam an Lynn Schoene konzipierten. Die Eröffnung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Auf welche Weise beeinflusst die Corona-Pandemie die Künstlerin Claudia Urlaß? "Im Moment führt die Krise für mich dazu, dass die Arbeit im Atelier stillsteht. Ich habe einen sechsjährigen Sohn, der nicht in die Schule kann oder mit Freunden spielen darf. Somit bin ich zu Hause und betreue ihn. Das Arbeiten nebenher funktioniert leider nicht wie geplant, weil ich dafür Zeit und Ruhe brauche, die ich nicht habe. Zusätzlich sind die innere Anspannung und Ungewissheit wohl größer, als man sie bewusst wahrnimmt."
Die Folgen lassen sich aus ihrer Sicht schwer einschätzen. "Kurzfristig bedeutet es keine Ausstellungen und somit kein Verdienst durch den Verkauf von Kunstwerken. Außerdem fallen auch andere Einnahmen, in meinem Fall durch Kunst-AG und Nachhilfe, weg." Welche Möglichkeiten gibt es, die Zeit finanziell durchzustehen? "Weil es als Künstlerin immer wieder Zeiten gibt, in denen finanzielle Engpässe herrschen, ist es für mich nicht ungewöhnlich, einige Wochen überbrücken zu müssen. Ich hoffe natürlich, dass sich dies nach Corona wieder ausgleicht", sagt sie.
Wird sie diese Zeit kreativ verarbeiten? "Ich denke nicht, dass ich die Corona-Krise künstlerisch verarbeiten werde. In meiner Arbeit beschäftige ich mich nicht mit tagesaktuellen Themen, sondern mit grundsätzlichen Haltungen, wie beispielsweise Zeit und Entschleunigung. Jetzt Corona-Werke zu gestalten, fühlt sich für mich falsch an, als ob man die Situation ausnutzt, weil es gerade kein anderes Thema gibt. Ob sich später etwas daraus ergibt, will ich aber nicht kategorisch ausschließen.
Was kommt danach? "Die geplante Ausstellung in Schriesheim wurde natürlich wie alle anderen erst einmal abgesagt, wird aber im Herbst oder im nächsten Jahr nachgeholt. Im Kunstmagazin "Metropol" und im Museum Kerg wurde sie noch groß angekündigt, das geht aber im Moment allen so. Vorbereitungen wie Auswahl der Werke, Texte usw., lassen sich auch auf den späteren Termin übertragen".
Claudia Urlaß bedauert, dass sie im Moment nicht mehr so regelmäßig in ihr Atelier kann. Gleichzeitig ist sie zuversichtlich, "weil nichts verloren geht". An Ideen für neue Kunstprojekte arbeitet sie trotzdem.