Moderator Gerhard Mandel (l.) stellte Ministerpräsident Winfried Kretschmann einige Fragen, die zuvor Bürger per E-Mail eingeschickt hatten. Mit dabei: Landrat Stefan Dallinger.
Von Timo Teufert
Wiesloch. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte ein anstrengendes Tagesprogramm im Rhein-Neckar-Kreis hinter sich, als er am Donnerstagabend zum Bürgerdialog ins Palatin kam. Bevor er sich den Fragen der Bürger stellte, traf der 72-Jährige noch Parteifreunde und ruhte sich etwas aus. Eine Stunde hatte sich der Landesvater Zeit genommen, um den Bürgern Rede und Antwort zu stehen. Hauptthema waren diesmal die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen. Kretschmann hörte zu, erklärte, machte aber auch klar: Er treffe keine einsamen Entscheidungen, sondern halte sich an die Richtlinien.
Wegen der Hygiene- und Abstandsregeln konnten nur 50 Bewohner des Rhein-Neckar-Kreises am Bürgerdialog mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Palatin teilnehmen Foto: PfeiferZu Beginn hatte Oberbürgermeister Dirk Elkemann sein Grußwort genutzt, um Kretschmann für die regionalen Verkehrsthemen zu sensibilisieren: "Morgens wie abends drängeln sich große Pendler-Ströme durch unsere Straßen", so Elkemann. Die Masse der Fahrzeuge führe zu gesundheitlichen Belastungen der Anwohner und koste die Pendler viel Zeit. Gemeinsam mit dem Land habe man sich auf einen Mobilitätspakt verständigt. "Er ist geprägt von der gemeinsamen Idee, dass die Antwort auf immer mehr Autoverkehr nicht nur mit immer mehr Straßen gefunden werden kann", so Elkemann.
Doch trotz aller Bemühungen, etwa die Überarbeitung des Radwegenetzes, gebe es wenige Nadelöhre, an denen auch Straßenbau erforderlich sei. Neben dem vierspurigen Ausbau der L723 zwischen der A6 und Walldorf nannte Elkemann die Umfahrung für Altwiesloch. Mit über 20.000 Fahrzeugen sei die Belastung vor mancher Haustür sehr hoch. "Gemeinsam mit der Mehrheit des Gemeinderates haben wir uns daher entschlossen, erneut einen Antrag auf Aufnahme in den Generalverkehrsplan zu stellen", so Elkemann. Über eine wohlwollende Prüfung und weitergehende Unterstützung würde sich Wiesloch sehr freuen, so der OB.
Er trug er sich auch ins Goldene Buch ein. Foto: PfeiferNach den Grußworten – neben dem OB sprach auch Landrat Stefan Dallinger als Gastgeber – trug sich Kretschmann ins Goldene Buch der Stadt Wiesloch ein, ging auf die aktuelle Situation und sein Tagesprogramm ("Ich nehme viel mit") ein und lobte das Ehrenamt. "Ein Land, in dem sich viele Menschen engagieren und nicht darauf warten, bis der Staat etwas tut, so ein Land regiert man gerne", sagte Kretschmann, bevor der von Gerhard Mandel moderierte Bürgerdialog begann.
"Planen Sie eine Maskenpflicht in der Schule?", wollte Christiane Suberata aus Rauenberg vom Ministerpräsidenten wissen, die ihre Frage per E-Mail eingereicht hatte. "Global planen wir das nicht, nur wenn es lokal nötig wäre", erklärte Kretschmann in seiner ruhigen und besonnenen Art. In den Schulen schaue man stattdessen, dass die Kontakte begrenzt bleiben. Und Wolfgang Molitor aus Wiesloch wollte in seiner eingereichten Frage angesichts der zunehmenden Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte vom Landesvater wissen: "Steht die Politik zur Polizei?" Die Position Kretschmanns war klar: "Das können und werden wir uns nicht bieten lassen. Die Politik steht zur Polizei und ich frage mich, was im Hirn solcher Leute vorgeht, die die Polizisten angreifen." Neben den schriftlich eingereichten Fragen hatten auch drei anwesende Bürger im Saal die Möglichkeit, ihre Anliegen vorzutragen.
Staatssekretär Andre Baumann stellte sich vor der Veranstaltung den Fragen der Demonstranten (unten rechts). Foto: PfeiferWährend der Veranstaltung fand an den Treppen zur Hufschmiedstraße eine Demonstration mit rund 50 Teilnehmern statt, an der nach Polizeiangaben auch zahlreiche "Querdenker", die am Montag in Walldorf demonstriert hatten, teilnahmen. Vor Beginn des Bürgerdialogs suchten Staatssekretär Andre Baumann (Grüne) und die Grünen-Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner das Gespräch mit den Demonstranten: "Es ist wichtig, dass wir den Menschen zuhören", sagte Baumann und nahm einen Fragenkatalog, den die Demonstranten an Kretschmann hatten, entgegen.
Nach gut einer Stunde war der Bürgerdialog zu Ende. "Ich finde, Herr Kretschmann hat das sehr offen und sehr souverän gemacht. Das hat ihm sicher Sympathien eingebracht", sagte Elkemann. Und auch bei den Zuschauern kam der schwäbische Politiker gut an: "Kretschmann war sehr authentisch und hat seine Überzeugungen vertreten, auch wenn sie nicht grün sind", sagte Andreas Barth aus Wiesloch. "Zwischendrin war der Ministerpräsident sehr leidenschaftlich, auch wenn er lokal nicht so gut vorbereitet war", hat Matthias Renschler aus Walldorf beobachtet. Er hält den Bürgerdialog für ein schönes Format: "Auch wenn solche Abende natürlich immer zu kurz sind."