St. Leon-Rot

Darum sorgt das neue Umspannwerk für wenig Begeisterung

Netze BW und SAP informierten Gemeinderat über notwendigen Neubau - Strombedarf steigt "steil nach oben" - "Wir brauchen das Umspannwerk jetzt"

14.11.2019 UPDATE: 15.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
So könnte das Umspannwerk aussehen, mit dem Netze BW in St. Leon-Rot auf den gestiegenen Strombedarf reagieren will. Zwei Standorte sind angedacht, am Waldrand und nahe dem Pumpwerk in Rot, beide stießen aber im Rat eher auf Ablehnung. Grafiken: Netze BW

St. Leon-Rot. (seb) Mit drei Transformatoren und einer Fläche von zirka 150 mal 70 Metern wird es zwar wesentlich kleiner als das in Wiesloch: Trotzdem stieß der geplante Bau eines Umspannwerks in St. Leon-Rots jüngster Gemeinderatssitzung auf wenig Begeisterung, wenn auch die Notwendigkeit anerkannt wurde. Und die aktuell angedachten Standorte wurden vorneweg mehrheitlich abgelehnt. Beschlüsse fielen allerdings noch nicht, wie auch beim folgenden Punkt über eine mögliche Verlegung einer 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung auf der Gemarkung ging es hauptsächlich darum, den Rat zu informieren, um nicht zu sagen seelisch vorzubereiten.

Für die SAP, einen der größten Stromverbraucher vor Ort, legte Matthias Grimm (Head of Global Real Estate and Facilities) zunächst aktuelle Entwicklungen und Zukunftspläne dar. Er zeigte Bilder des in Betrieb genommenen neuen Bürogebäudes mit 497 Arbeitsplätzen und informierte über die beiden Rechenzentren im Roter Gewerbepark. "Mit 22 Megawatt Leistungsaufnahme sind wir am Limit angelangt", so Grimm.

SAP denke grundsätzlich "perspektivisch nach vorne", so Grimm, daher müsse man mehr Spielraum haben. Etwa bezüglich eines Parkleitsystems, mit dem man in Walldorf gute Erfahrungen gemacht habe: Statt noch ein Parkhaus zu bauen, nutze man die vorhandenen effizienter und erspare den Arbeitnehmern langes Suchen.

Ohne ein Umspannwerk in der Nähe könne SAP sich am Standort nicht weiterentwickeln. So könne man keine weiteren Serverkapazitäten schaffen, die Elektromobilität nicht wie geplant voranbringen, müsse den Ausbau von Büroflächen zurückstellen und könne auch kein weiteres Rechenzentrum errichten. Man rechne mit einer Bedarfssteigerung von einem Megawatt pro Jahr, und das könne aktuell nicht mehr gewährleistet werden.

Doch es ist nicht nur SAP: In St. Leon-Rot und Umgebung ist der Strombedarf generell stark gestiegen "und alle Balken zeigen steil nach oben": Das legten Dr. Fred Oechsle und Diplom-Ingenieur Thomas Gärtner von Netze BW anhand von Prognosen dar, die eine Bedarfssteigerung von bis zu 170 Prozent beinhalteten.

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Grafik: Netze BW

Die 100-prozentige Tochter des Energieversorgers EnBW hat anhand konkreter Anfragen verschiedene Zukunftsszenarien entwerfen lassen, die eng mit Bemühungen von Land, Kommunen und Bürgern zum Klimaschutz zusammenhängen: Wärmepumpen, Elektromobile, Fotovoltaik – all das wird Oechsle zufolge die Netze immer stärker in Anspruch nehmen.

Doch bereits heute hat St. Leon-Rot einen Energiebedarf, der "ein typisches Umspannwerk mit zwei Trafos" notwendig mache, so Oechsle. Umspannwerke unter anderem in Wiesloch und Kirrlach unterstützten St. Leon-Rot, doch das sei nicht beliebig steigerbar. "Wir brauchen unbedingt jetzt schon das neue Umspannwerk", betonte Oechsle.

Auf die Frage, ob Netze BW nicht schon früher hätte handeln sollen, ehe der Druck so groß werde, erklärte Oechsle, dass man immer nur reagiere: Im Vorgriff größere Kapazitäten vorzuhalten, die dann nicht genutzt würden, sei nicht machbar, daher warte man manchmal eben, "bis das Fass fast am Überlaufen ist".

Zwei mögliche Standorte zeigte Thomas Gärtner auf: Am alten Pumpwerk nahe dem Albertushof in Rot und am Waldrand jenseits der Umgehungsstraße, gegenüber der Einmündung der verlängerten Bahnhofstraße, wo auch eine Brücke über die Umgehung führt. Auf diesen Flächen seien auch, sollte das in Zukunft erforderlich sein, Erweiterungen der Kapazität denkbar.

Grundsätzlich sah der Gemeinderat die Notwendigkeit des Umspannwerks ein. Man freute sich auch, dass SAP weiter zu St. Leon-Rot steht und hier investiert – wegen der Arbeitsplätze und der "kontinuierlich guten Haushaltszahlen". Aber die beiden aufgezeigten Standorte "sind für uns nicht akzeptabel", sagte Siegfried Köck (Freie Wähler): Die Gebiete würden für die Naherholung beziehungsweise die Landwirtschaft genutzt. Im Rahmen der Flurneuordnung im Zug des Umgehungsstraßenbaus müsse man in Verhandlungen treten, um andere Grundstücke zu finden, oder das Umspannwerk im oder nahe am Gewerbegebiet bauen. Dagegen spricht laut Fred Oechsle grundsätzlich nichts, es muss nur nahe dem Gewerbegebiet und der 110-Kilovolt-Leitung sein, die im Zug der Erschließung des Neubaugebiets "Oberfeld" weg vom Roter Ortsrand verlagert wird.

Auch Udo Back (CDU) war für Lösungen im Gewerbepark oder auf einer der bereits dafür vorgesehenen Erweiterungsflächen. Das "bisschen Natur", das St. Leon-Rot inmitten Autobahnen, Gewerbegebieten und weiterer Infrastruktur bleibe, müsse man bewahren. Michael Herling (FDP) sah allenfalls den Waldrand "als Option", wollte aber weitere Varianten geprüft haben. Für die Junge Liste erklärte Rouven Dittmann, dass man ein Areal am Gewerbepark oder auf dessen Erweiterungsfläche wolle. Darauf erwiderte Norbert Knopf (Grüne), dass man sich die Erweiterung des Gewerbeparks auch nicht verbauen dürfe. Am Waldrand hielte er – auch wenn es "klar keine Begeisterungsstürme" hervorrufe – eher für verträglich. Das sah Klaus Grün (SPD) ähnlich, der keinen der beiden Standorte wirklich befürworten konnte. Abschließend betonte Bürgermeister Dr. Alexander Eger auf Nachfrage, dass Grundstückserwerb, ökologischer Ausgleich und weitere Aspekte des Neubaus komplett in der Verantwortung von Netze BW liegen.

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