Reste der alten Auenlandschaft sind bedroht
Ihr Schutz ist nicht einfach - Schöner Geheimtipp zum Wandern und Radfahren

Von Sabine Hebbelmann
Wiesloch/Dielheim. Hund Platon wedelt mit dem Schwanz und schaut erwartungsvoll zu Monika Stein auf, als wollte er fragen: "Wann geht es endlich los?" Die Umweltbeauftragte der Stadt Wiesloch faltet die Karte zusammen, die das Naturschutzgebiet Sauerwiesen-Fuchsloch zeigt und fährt mit dem Fahrrad los.
Dieses Naturschutzgebiet, durch das die Radtour führen wird, erstreckt sich zu beiden Seiten der Landesstraße zwischen Altwiesloch und Dielheim und umfasst neben der Leimbachaue mit ihren Feuchtgebieten auch die umgebende hügelige Wiesen- und Waldlandschaft. Das 61 Hektar große Gebiet wurde 1996 unter Schutz gestellt, um die bestehende Vielfalt gegenüber zunehmenden Nutzungsinteressen zu sichern und die naturnahen Standorte zu fördern.

Begleitet wird die Umweltbeauftragte von zwei jungen Damen: Ivonne Meichßner macht eine Ausbildung bei der Stadt Wiesloch und Kaja Böttcher leistet ein freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ). Hinter der Brücke führt der Feldweg vorbei an Weizenfeldern und alten Obstwiesen. Hecken aus Brombeere und Schlehe sind ein idealer Lebensraum für die geschwätzige Dorngrasmücke. Im Auwald auf der anderen Seite des Weges lassen sich Jungmeise, Amsel und Zaunkönig vernehmen. Eine mächtige alte Silberweide direkt am Weg spendet Schatten und auf einer noch nicht gemähten Blumenwiese fliegt ein Schachbrett-Falter zwischen hohen Gräsern und Blütenständen Slalom. Hier wächst die Schaben-Königskerze, eine alte Nutzpflanze gegen Schadinsekten. Weiter unten auf einer Feuchtwiese breitet sich zwischen Schilfhalmen jede Menge Mädesüß aus. Der Name leitet sich nicht etwa vom "süßen Mädel" ab, sondern von "Metsüße". Die Pflanze wurde früher zum Süßen und Aromatisieren von Wein und insbesondere Met verwendet.
Neben der Vielfalt der Naturschönheiten sieht die Umweltbeauftragte mit ihrem kritischen Blick aber auch anderes: An einer neu gepflanzten Walnuss wurde unnötig herumgeschnitten, eine Gartenhütte illegal errichtet und an anderer Stelle reicht ein Garten direkt an den Bach. "Das dürfte aus Gründen des Gewässerschutzes nicht sein", betont sie. Das indische Springkraut ist mit seinen pinkfarbenen Blüten zwar hübsch anzusehen, gilt aber als sogenannter Neophyt, also als eingewanderte Pflanze, die sich hier ausbreitet.
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Dasselbe gilt für den Japanischen Staudenknöterich, der als invasive Art besonders an Bachläufen andere Pflanzen verdrängt und den der Naturschutzbund (Nabu) durch regelmäßiges Mähen über viele Jahre in Schach gehalten hat. Eine Wiese ist gelb vor lauter Goldruten. "Auf wertvollen Trockenrasen versuchen wir sie lokal zu entfernen, aber auf der Fettwiese lassen wir sie", sagt Stein. Man habe gegen die Neophyten ohnehin kaum Chancen.
Auch die Robinie gilt als problematisch, der Baum aus Nordamerika breitet sich im warmen Südwesten stark aus. Doch selbst sie leide unter der warmen und trockenen Witterung und macht der Umweltbeauftragten inzwischen an einigen Stellen Sorgen. Zumal die einheimischen Baumarten längst unter Druck sind. Krankheiten wie das Eschentriebsterben oder das Schwarzerlensterben setzen ihnen massiv zu. Inwieweit standortgerechte Gehölze in Zukunft noch gedeihen, müsse man sehen.

In Dielheim geht es über die Brücke auf die andere Seite des Leimbachs, wo zwischen Schwarzpappeln Blutweiderich und Hexenkraut wachsen. Der gaukelnde Flug der Gebänderte Prachtlibelle erinnert an einen Schmetterling.
Hier fuhren noch bis 1980 auf einer privat betriebenen Bahnstrecke Züge. Von Wiesloch führte ein Zweig über Dielheim, Baiertal und Schatthausen nach Meckesheim, ein anderer über Rauenberg und Mühlhausen nach Waldangelloch. Im Bahnhof Dielheim ist das frühere Gleisbett als Parkanlage gestaltet. Die Strecke durch das Naturschutzgebiet ist als Radweg ausgebaut und Teil der radtouristischen Leimbachroute, die am Bahnhof Sinsheim-Hoffenheim beginnt und an der Mündung des Leimbachs in Brühl endet.
Der Radweg wird, ganz im Sinne umweltfreundlicher Mobilität, gut genutzt. Er bringt aber für das Naturschutzgebiet auch Belastungen mit sich. Eine ist die Lichtverschmutzung durch die Beleuchtung. Die Auflage sei daher gewesen, dass insektenfreundliche LED-Lampen Verwendung finden, die nur leuchten, wenn jemand kommt, so Stein.
Daneben gilt auch am Radweg die Verkehrssicherungspflicht. Die Stadt muss Bäume oder Teile von ihnen entfernen, wenn sie den Verkehr gefährden, insbesondere wenn sie wegen Schäden oder aus Altersgründen nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. "Im Laufe von zehn Jahren sind fast alle alten Weiden gefällt worden, jedes Jahr ein paar – da waren die Höhlen für die Fledermäuse und Käuze drin", bedauert die Umweltbeauftragte.
Weitere Bäume im Naturschutzgebiet werden bald für den Hochwasserschutz fallen. Oberhalb der Ortslage von Altwiesloch soll ab Ende 2022 mit dem Bau eines gut fünf Meter hohen Dammes ein Hochwasserrückhaltebecken geschaffen werden. Hierfür ist es erforderlich, dass eine neue Brücke errichtet und der Leimbachradweg stellenweise umgeleitet wird. Weitere Eingriffe in das Naturschutzgebiet sind die Folge, denn für den Bau des Dammes müssen rund 3400 Quadratmeter Auwald gefällt werden. Als Ausgleich sollen Gewässerrandstreifen geschaffen werden, die einen natürlichen Bewuchs mit Bäumen und Büschen ermöglichen, wofür die Bachböschungen von ihren künstlichen Einbauten befreit werden müssen. Als weiterer Ausgleich ist beim Damm ein Durchlass für Fische vorgesehen.
Während im Gewann "Sauerwiesen" die Arten der feuchten Auebereiche das Bild bestimmen, hat das nicht zugängliche Gebiet auf der anderen Straßenseite mit Namen "Fuchsloch" einen anderen Charakter. Hier am Hang herrschen trockene und magere Bedingungen vor, ein wertvoller Lebensraum für die daran angepassten Spezialisten.



