Walldorf. (rö) Der Walldorfer Gemeinderat hat am Dienstagabend einstimmig den Haushaltsplan fürs laufende Jahr verabschiedet. Gegenüber der Einbringung im November hatte es nur "kleinere Änderungen" gegeben, wie Kämmerer Boris Maier berichtete. Der Etat weist im Ergebnishaushalt Erträge von 281 Millionen Euro und Aufwendungen von 198 Millionen auf, somit ein ordentliches Ergebnis von 83 Millionen. Im Finanzhaushalt, der die tatsächlichen Geldflüsse abbildet, ohne die Abschreibungen und eine Finanzausgleichsrückstellung von fast 76 Millionen, liegt das ordentliche Ergebnis nach Erträgen von 204 Millionen und Aufwendungen von 187 Millionen immer noch bei 17 Millionen.
Aus Steuern und ähnlichen Abgaben erwartet die Stadt 2020 fast 184 Millionen, darunter 160 Millionen aus der Gewerbesteuer. An Umlagen sind an Bund, Land und Kreis fast 137 Millionen abzuführen, die Personalkosten klettern auf über 20 Millionen und an Sachausgaben weist der Etat über 18 Millionen aus. Einnahmen aus Zuschüssen für Investitionen in Höhe von 8,6 Millionen stehen Ausgaben von 41,7 Millionen gegenüber: Fast 30 Millionen sind für Baumaßnahmen eingeplant (unter anderem für das Kinderhaus Gewann Hof, den zweiten Bauabschnitt des Neubaugebiets Walldorf-Süd und für Sporthalle und Außenanlagen im Schulzentrum). Darlehen (an die Stadtwerke) und Kapitaleinlagen (bei der InnoWerft und den Stadtwerken) stehen mit 7,5 Millionen im Plan, der Erwerb von Grundstücken mit drei Millionen.
Bei planmäßigem Verlauf des Haushaltsplans beträgt der Zahlungsmittelüberschuss aus der laufenden Verwaltungstätigkeit 17,2 Millionen. Demgegenüber steht ein Mittelbedarf für die Investitionen in Höhe von 33,1 Millionen. Das macht unter dem Strich ein Minus von 15,9 Millionen, die aus der Liquiditätsreserve entnommen werden. Damit wird die Liquidität bis Ende 2020 auf 411 Millionen zurückgehen (davon sieht der Kämmerer 200 Millionen als gebundene Rücklage an), soll bis Ende 2023 aber auf 455 Millionen ansteigen. "Von daher sind die Aussichten eigentlich relativ gute", übte sich Kämmerer Maier im Understatement. Unverändert bleiben die Hebesätze für Gewerbesteuer (265 v.H.) sowie Grundsteuer A und B (je 200 v.H.).
Gleichfalls einstimmig verabschiedet wurde der Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Wohnungswirtschaft. Dessen Leiter David Högerich konnte berichten, dass die Umsatzerlöse erstmals die Zwei-Millionen-Marke überschritten haben und der Jahresverlust gegenüber dem Vorjahr um 18.000 auf 192.000 Euro gesenkt werden kann. Nach der Präsentation der Zahlen waren die Fraktionen mit ihren Haushaltsreden an der Reihe.
Dr. Andrea Schröder-Ritzrau (SPD). Foto: PfeiferSPD: Daseinsvorsorge und das Miteinander
Dr. Andrea Schröder-Ritzrau (SPD) nahm das Motto "Reichtum" als roten Faden ihrer Haushaltsrede und verknüpfte es mit den Leitsätzen und Visionen aus dem jüngst verabschiedeten Leitbild. Walldorf sei "eine reiche, wohlhabende, starke Stadt", man könne viele große und kleine Bauvorhaben umsetzen. Für die SPD seien aber Handeln und Entscheidungen "dem Gemeinwohl verpflichtet", die vordersten Ziele der Fraktion seien, "Daseinsvorsorge und das Miteinander in Walldorf" zu gestalten.
Zudem bekenne man sich ausdrücklich dazu, "mit Ressourcen nachhaltig zu wirtschaften". Daseinsvorsorge bedeute für die SPD unter anderem "bezahlbares Wohnen", sagt Andrea Schröder-Ritzrau, auch ein weiteres Pflegeheim müsse man konkreter planen. Beim Klimaschutz sprach sie die Förderung von Blühwiesen und die erhofften CO2-Einsparungen durch einen Sanierungsmanager an.
Zum Thema Verkehr führte sie den SPD-Antrag auf kostenloses Busfahren an, den Ausbau des Radverkehrs und forderte von der Bürgermeisterin, "im Mobilitätspakt aktiv die Positionen des Gemeinderats" einzubringen, um nicht "vor vollendete Tatsachen gestellt" zu werden. Weitere wichtige Themen für die SPD: die Förderung von Kunst und Kultur, der Schutz von Luft, Wasser und Boden, eine – eventuell auch nur temporäre – Aufstockung des Rathauspersonals zur Bewältigung der vielen Aufgaben und das "gelebte soziale Miteinander".
Nele Böhm (Grüne). Foto: PfeiferGrüne: "Walldorf Ökotopia 2050"
Nele Böhm (Grüne) mahnte zu Beginn ihrer Haushaltsrede vor dem sich ausbreitenden Nationalismus. "Was letzte Woche in Thüringen passiert ist, muss jeden aufrechten Demokraten erstarren lassen." Noch habe der Hass in Walldorf aber keinen Nährboden gefunden, das müsse so bleiben. Dafür brauche man den sozialen Ausgleich und Zusammenhalt, deshalb setzten sich die Grünen "für mehr Teilhabe aller Menschen in dieser Stadt" ein.
Zweites wichtiges Thema, das aus ihrer Sicht die Gesellschaft spaltet, ist der Klimaschutz: Die Debatte im Gemeinderat, nachdem ihre Fraktion den "Klimanotstand" ausrufen wollte, sei "entlarvend" gewesen, sagte Nele Böhm, dass die SPD zum Begriff "Notstand" "sogar die Nazizeit bemüht" habe, sei "Blödsinn". Ähnlich hart ging sie mit der Bürgermeisterin ins Gericht: Die Grünen vermissten ihre Bereitschaft, sich des Themas Klimaschutz "richtig anzunehmen". Das gelte auch bei anderen Themen: "Wir erleben Sie ohne große Strahlkraft in allen Bereichen, für die Sie verantwortlich sind." Für die Grünen sei der Klimaschutz dagegen "nicht erst seit 2019 Thema Nummer eins".
Viel Geld werde für die Planung der letzten Baugebiete in Walldorf eingesetzt, vergleichsweise wenig "für die Lösung unserer prekären Verkehrssituation", kritisierte sie. Man wolle ein Klimaschutzprojekt, aber auch einen "Stadtentwicklungsplan 2050": "Starten wir eine realistische Utopie – Walldorf Ökotopia 2050."
Dr. Günter Willinger (FDP). Foto: PfeiferFDP: "Wir setzen auf die Einsicht"
Dr. Günter Willinger (FDP) distanzierte sich und seine Fraktion deutlich von den "Vorkommnissen im Thüringer Landtag". Man sei "entsetzt und beschämt über den politischen Amoklauf von Herrn Kemmerich" und hoffe, "dass mit dem – wenn auch späten – Eingreifen der FDP-Parteiführung und anderer Kräfte der politische Flurschaden begrenzt werden kann". Willinger warnte davor, "mit unserer parlamentarischen Demokratie herumzuspielen".
Man schütze sie am besten, "wenn wir sie leben, also im fairen, respektvollen und ehrlichen Miteinander die Probleme unserer Gesellschaft lösen", sagte er durchaus auch mit Blick auf Walldorf und das neue Leitbild, das "sämtliche Themenbereiche" abdecke, "die das Leben in Walldorf ausmachen". Beim Thema Verkehr beispielsweise hänge viel vom Einzelnen ab, gerade die Gemeinderäte seien als Vorbilder gefordert, "das umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel zu wählen". Mit Proklamationen "wie der Ausrufung des Klimanotstands" werde man wenig erreichen, "wir setzen auf die Einsicht der Menschen und auf Anreize".
Andere wichtige Themen für die FDP: die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, Bildung und Betreuung als Teil der Generationengerechtigkeit sowie bezahlbarer Wohnraum, ebenso der Neubau eines Altenpflegeheims. "Wir verstehen nicht, dass eine reiche Stadt wie Walldorf es nicht schafft, die entsprechenden Angebote zu schaffen", sagt Willinger.
Mathias Pütz (CDU). Foto: PfeiferCDU: Zuversichtlich ins Jubiläumsjahr
Mathias Pütz (CDU) sprach von einer "doppelten Verantwortung", die aus dem Wohlstand der Stadt erwachse: Man müsse die Weichen dafür stellen, die prosperierende Entwicklung so lange wie möglich fortzuführen, aber auch "in Anbetracht unseres Gestaltungsspielraums" die über Walldorf hinaus gehende Verpflichtung eingehen, "fortschrittliche Technologien zu fördern" und "ökologisch beispielhaft voranzuschreiten". Pütz sprach die vielen Anträge an, die in jüngster Zeit von allen Fraktionen, seiner eigenen eingeschlossen, gestellt würden. Diese stünden "augenscheinlich für viele Anliegen und offensichtlichen Handlungsbedarf".
Trotzdem appellierte er, stärker den Weg des parteiübergreifenden Austauschs zu suchen. Wichtige strategische Weichenstellungen erforderten "vor allem auch den engen Schulterschluss aller mit der Verwaltung". Inhaltlich sprach Pütz sechs Punkte an, die mit den verschiedensten Maßnahmen auf der politischen Agenda der CDU stehen: "Wirtschaft und Finanzen", "bauliche Entwicklung", "Mobilität und digitale Infrastruktur", "Bildung, Betreuung und Soziales", "Natur- und Umweltschutz" sowie "Klimaschutz".
Man sehe sich, so Pütz, in Walldorf nicht nur als Schicksalsgemeinschaft globaler Entwicklungen, sondern "vor allem als solidarische und leistungsstarke Gesellschaft". Gerade im Jubiläumsjahr habe man "viel Anlass, Zuversicht zu verbreiten und Identifikation zu stiften".