Dielheimer Theater

Komik und Tragik im Wechselspiel

Dielheimer Theater im Bahnhof feierte Premiere mit dem Stück "Honig im Kopf" - Begeisterter Beifall

14.05.2019 UPDATE: 15.05.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden

Zwei, die sich mögen: Opa Amandus (Manfred Maier) und Enkelin Tilda (Maria Ritz) in dem Stück "Honig im Kopf", mit dem das Theater im Bahnhof jetzt eine umjubelte Premiere feierte. Die weiteren Aufführungen am Wochenende sind bereits ausverkauft, aber im Frühjahr 2020 soll das Stück erneut aufgeführt werden. Darüber wird noch informiert. Foto: Pfeifer

Von Anton Ottmann

Dielheim. "Alzheimer ist wie ein Bücherregal, aus dem ab und zu ein Buch kippt", erklären Niko (Michael Stier) und Sarah Rosenbach (Eva Maria Ritz) ihrer Tochter Tilda (Maria Ritz) die Erkrankung von Amandus Rosenbach (Manfred Maier). Die Enkelin liebt ihren Opa heiß und innig, wie auch er seine "Principessa". Seine Enkelin findet seine Verwirrtheit gar nicht so schlimm, genauso wenig wie ihre gleichaltrigen Freunde. Die kindliche Fantasiewelt des alten Herrn ähnelt in manchem ihrer eigenen und von ihr lässt er sich auch etwas sagen.

Das Familienleben mit einem an Alzheimer erkrankten Menschen wird in der Tragikomödie "Honig im Kopf" nach dem erfolgreichen Film sehr realitätsnah, aber auch mit großer Empathie geschildert. Sie wurde dieser Tage in der Bearbeitung von Florian Battermann unter der Regie von Manfred Maier erstmals im Theater im Bahnhof in Dielheim aufgeführt.

So richtig zum Ausbruch kommt die Krankheit erst, als Amandus nach dem Tod seiner geliebten Frau rapide abbaut. Gegen den Widerstand seiner Frau nimmt Sohn Niko ihn in die Familie auf, wo er durch sein irrationales Verhalten das ohnehin gespannte Verhältnis der beiden aufheizt. Sie hatte sich einen Seitensprung mit ihrem Chef, er sich einen Flirt mit seiner Sekretärin geleistet.

Amandus entlässt die Putzfrau, weil sie angeblich Schmuck gestohlen hat, lässt die Polizei nach seiner vermissten Frau Margarete suchen und entwendet bei der Gelegenheit dort einen Revolver. Er will sich auch ständig nützlich machen, backt ungefragt einen Kuchen und steckt dafür Sarahs teure Schuhe in den Backofen. Die Ligusterhecke schneidet er mit der Heckenschere statt zehn Zentimeter von oben zehn Zentimeter über dem Boden ab. Und den Arzt (Friedrich E. Becht) kanzelt er am Telefon ab, er hält ihn für inkompetent, weil er dumme Fragen stellt. Während Sarah den Zustand ihres Schwiegervaters für "mehr als ein bisschen verwirrt" hält, ist für Niko "alles in Ordnung", er bringt es einfach nicht übers Herz, seinen Vater in einem Seniorenheim unterzubringen.

Als Niko unter beruflichem Druck und Dauerstreit mit seiner Frau keinen Ausweg mehr sieht, meldet er seinen Vater schließlich doch in einem Heim an. Für Enkelin Tilda ist dies nicht zu ertragen und sie entführt ihren Großvater kurzerhand auf eine abenteuerliche Reise nach Venedig, wo er vor langer Zeit einmal mit seiner Frau sehr glücklich war. Das notwendige Geld beschaffen sie sich mit der Bankkarte von Amandus. Erstaunlicherweise kann Amandus seine Bankkarte benutzen, denn er erinnert sich, dass die Geheimzahl das Datum der Schlacht von Verdun im Ersten Weltkrieg ist. In Venedig erinnert er sich an das Hotel, in dem er mit seiner Frau nächtigte, und an den Weg zum Lido, dem berühmten Strand.

Sehr einfühlsam und authentisch wird von den vier Schauspielern das schwierige Zusammenleben mit einem an Demenz Erkrankten dargestellt - seine zunehmende Verwirrtheit, aber auch die immer wiederkehrenden klaren Momente. Es kommt aber auch zum Ausdruck, was die Krankheit mit den Menschen macht, die sie ertragen müssen. So kommt es zunehmend zu Zerwürfnissen zwischen den Partnern, aber auch zwischen Jung und Alt, weil durch die irrationalen Auseinandersetzungen und das nicht kalkulierbare Verhalten des Betroffenen die Nerven aller Beteiligten blank liegen.

Autor und Regisseur ist es gelungen, die traurigen und berührenden Momente mit den humorigen und "leichtfüßigen" zu verknüpfen. Sie machen es so dem Zuschauer leicht, der Tragik des Geschehens auch komische Seiten abzugewinnen. So Amandus’ Kommentar, als er mitbekommt, dass sein Sohn seiner Frau den Seitensprung vorwirft: "Was der Hahn mit den Hühnern darf, dürfen die Hühner auch." Das war Theater auf hohem Niveau und der begeisterte Beifall am Ende des Stücks mehr als verdient.

Info: Die weiteren Aufführungen sind bereits ausverkauft, im Frühjahr 2020 kommt das Stück jedoch wieder auf den Spielplan.

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