Die Tat spielte sich am 8. September 2018 vor einem Eiscafé in der Wieslocher Innenstadt ab. Archivfoto: Rößler
Von Alexander Albrecht
Heidelberg/Wiesloch. Die Attacke von mutmaßlichen Rechtsextremen auf Gäste eines Eiscafés in der Wieslocher Innenstadt geht in die zweite juristische Runde. Ende Juli vergangenen Jahres hatte das Amtsgericht drei Brüder wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung sowie Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu Bewährungsstrafen zwischen zehn Monaten und zwei Jahren verurteilt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidiger haben Berufung eingelegt. Somit muss das Landgericht Heidelberg das Urteil überprüfen. Ein Termin steht noch nicht fest.
Ab Donnerstag, 4. Februar, müssen sich in einem abgetrennten Verfahren drei weitere Beteiligte vor dem Wieslocher Schöffengericht verantworten, das wie beim ersten Prozess aus Corona- und Platzgründen wieder im Heidelberger Landgericht tagt. Auf der Anklagebank sitzen dann drei Männer im Alter von 26 bis 32 Jahren. In der Kraichgauer Neonazi-Szene ist Timo F. bekannt. Er und ein Angeklagter des vorherigen Verfahrens sollen am Tatabend im September 2018 am aggressivsten gewesen sein.
Neben Timo F. wird gegen zwei andere Brüder verhandelt. Einer von ihnen war damals auf Tarifbasis als Mechaniker bei der Polizei angestellt. Als die Vorwürfe gegen den Mitarbeiter bekannt wurden, zog das Innenministerium sofort die Konsequenzen und entband ihn von sämtlichen Aufgaben. Außerdem erhielt er Hausverbot.
Alle sechs Angeklagten waren Teilnehmer eines Junggesellenabschieds. Das Schöffengericht sah es im ersten Prozess als erwiesen an, dass die Männer an jenem Septemberabend betrunken durch die Wieslocher City zogen und rassistische Parolen wie "Heil Hitler" grölten. Als ein Anwohner "Verpisst euch!" schrie, gingen sie laut Richter Michael Rensch grundlos auf mehrere türkisch- und portugiesischstämmige Familien mit Kindern los, die friedlich im Außenbereich der Eisdiele saßen. Dabei warfen sie mit Stühlen und Tischen.
Ein Teil des Geschehens ist auf dem Handyvideo eines Anwohners zu sehen. Da es bereits dunkel war, ist die genaue Zuordnung der Taten schwierig. Die Familien hatten laut Urteil nichts mit der Auseinandersetzung zu tun, wurden aber zur Zielscheibe der Gruppe. Es stehe außer Frage, dass zwei der ersten drei Angeklagten eine gefestigte rechtsradikale Gesinnung haben. Der Angriff sei mit enormer Wucht erfolgt, aber nicht geplant gewesen. "So etwas habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt. Das ist schäbig", sagte Rensch.
Die bei dem Angriff verletzten Opfer und Angehörige litten im Sommer 2020 zum Teil immer noch unter dem Angriff, hatten mit Schlafproblemen zu kämpfen und waren auf Hilfe von Psychotherapeuten oder Medikamente angewiesen. Sie treten im Februar erneut als Nebenkläger auf. Sollte auch nach diesem Prozess eine Berufungsverhandlung folgen, müssten sie insgesamt bis zu viermal vor Gericht den Tatabend Revue passieren lassen – eine hohe Belastung.