Matthias Bleick und Maria Daub-Verhoeven. Foto: Laier
Waibstadt. (cla) Mit einem für die Öffentlichkeit überraschenden Statement von zwei Stadtratsmitgliedern begann die Sitzung des Gemeinderats in der Stadthalle. Bürgermeister Joachim Locher verlas die gemeinsame schriftliche Erklärung von Matthias Bleick und Maria Daub-Verhoeven, dass sie mit sofortiger Wirkung die Gemeinderatsfraktion der Waibstadter Wählergemeinschaft (WWG) verlassen. Die übrigen Mitglieder des Gremiums nahmen die Nachricht ohne eine Wortmeldung zur Kenntnis.
Nichts hatte im Vorfeld darauf hingedeutet, dass die beiden Bürgervertreter ihre bisherige Fraktion verlassen könnten. Für die Beobachter der Waibstadter Kommunalpolitik waren in den öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats weder Streit innerhalb der Fraktion noch größere inhaltliche Differenzen zu erkennen gewesen.
Unterschiedliche inhaltliche Standpunkte scheinen auf Grundlage der abgegebenen Erklärung weniger das Problem zu sein. "Wir werden die gesetzten Ziele der WWG weiterhin so verfolgen, wie wir es unseren Wählerinnen und Wählern im Jahr 2019 versprochen haben", betonten Bleick und Daub-Verhoeven. Vielmehr scheint die Art und Weise der Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion die erfahrenen Kommunalpolitiker zu diesem Schritt bewogen zu haben.
"Die Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion wurde in der letzten Zeit durch Schwierigkeiten im Bereich der Entscheidungsfindung erschwert und kostete uns Kraft, die wir benötigen, um gute Kommunalpolitik zu machen", führten die beiden aus. "Wir haben uns aus diesem Grund entschlossen, dem von der Bevölkerung in uns gesetzten Vertrauen in Zukunft weiterhin als Mitglieder des Gemeinderates, aber ohne Fraktionszugehörigkeit nachzukommen", endete die persönliche Erklärung.
Demnach werden Bleick und Daub-Verhoeven, die neben der Arbeit im Gemeinderat auch als Mitglied der "Bündnis 90/Die Grünen"-Fraktion im Kreistag sitzt, die Interessen der Bürger weiterhin im Gemeinderat vertreten. Allerdings eben ohne Mitglied einer Gemeinderatsfraktion zu sein. Dadurch verändern sich – rein vom Fraktionsstatus her betrachtet – die Mehrheitsverhältnisse im Gremium. Die WWG und die Fraktion "CDU und Bürger für Waibstadt und Daisbach" (CDU) waren bislang mit jeweils sechs Stadträten gleich stark vertreten. Locher erklärte, dass ab sofort sechs Gemeinderäte der CDU-Fraktion angehören und vier Stadträte der WWG-Fraktion. Die SPD ist mit zwei Mandaten im Gremium vertreten. Hinzu kommen nun die beiden fraktionslosen Gemeinderäte.
Für die Arbeit im Rat ist es nicht entscheidend, einer Fraktion anzugehören. Alle Stadträtinnen und Stadträte dürfen so abstimmen, wie sie es nach ihrem Gewissen für richtig erachten. Die Fraktionen wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Gemeinderats mit. In der praktischen Arbeit treffen sich die Mitglieder einer Fraktion üblicherweise schon vor der Sitzung, um gemeinsam über die anstehenden Themen zu sprechen.
Aus zeitökonomischen Gründen kommt es immer wieder vor, dass nur jeweils ein Fraktionsmitglied in der öffentlichen Sitzung Stellung im Namen der gesamten Fraktion bezieht. Oft wird im Rahmen der "Fraktionsdisziplin" einheitlich abgestimmt. Zudem nominieren nach den Kommunalwahlen üblicherweise die Fraktionen die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl der stellvertretenden ehrenamtlichen Bürgermeister sowie der gemeinderätlichen Vertreter in den Ausschüssen oder Verbandsversammlungen.
Bei wichtigen oder eiligen Entscheidungen kann es vorkommen, dass der Bürgermeister die Fraktionssprecher schon in die Entscheidungsfindung einbindet, bevor das gesamte Gremium wieder zusammenkommt. Dadurch kann sich ein gewisser "Sonderstatus" durch eine Fraktionszugehörigkeit mit entsprechendem Informationsvorsprung ergeben. Locher äußerte sich nicht, ob sich dadurch konkrete Veränderungen in der praktischen Gremienarbeit ergeben könnten. Im Gemeinderat zeichnet sich eher keine Veränderung ab, da die beiden nun fraktionslosen Bürgervertreter weder Bürgermeister-Stellvertreter noch Fraktionssprecher sind.