Mit Graffiti besprühte Wände und fehlende Fensterscheiben zeugen davon, dass hier schon länger niemand mehr wohnt. Foto: Christian Laier
Von Christian Laier
Waibstadt-Daisbach. Ruhig und idyllisch präsentiert sich das an der Anschrift Daisbachtalstraße 95 gelegene und den Einwohnern besser als ehemalige "Villa Seidel" bekannte Anwesen am nördlichen Ortseingang von Daisbach. Vereinzelt suchen Vögel auf dem weitläufigen rund 14.000 Quadratmeter großen von einem Wald umgebenen Gelände im Schnee nach Futter.
Die ehemals herrschaftlichen Gebäude sind mittlerweile zu Bauruinen geworden. Mit Graffiti besprühte Wände, eingetretene Türverschläge und fehlende Fensterscheiben zeugen davon, dass hier schon länger niemand mehr wohnt. Seit etwa 20 Jahren liegt das Grundstück brach. Zwischenzeitlich wollte ein Investor hier ein "Park-Hotel" realisieren. Nun gibt es Anzeichen, dass sich tatsächlich in Kürze etwas tun könnte. Aufmerksamen Beobachtern blieb nicht verborgen, dass sich in letzter Zeit Landschaftspflegerisch etwas auf dem Grundstück getan hat. Allerdings soll hier kein Hotel mehr entstehen, sondern ein neues Projekt hat zum Ziel, auf dem Grundstück Wohnraum als "naturnahes und regeneratives Quartier für Jung und Alt" zu entwickeln.
Eigentümer des Grundstücks ist Michael Ehret, der familiär mit dem vormaligen Eigentümer Professor Seidel verbunden ist und das Anwesen gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Markus Wirth gekauft hat. Ehret ist geschäftsführender Gesellschafter des Immobilienentwicklers "ehret+klein", ein bundesweit tätiges Unternehmen mit 80 Mitarbeitern und Sitz in Starnberg, das nach eigenen Angaben bereits an einer "Revitalisierung" des Grundstücks arbeitet. Gemäß dem aktuellen Konzept soll ein familienfreundliches Quartier entstehen. Eine klassische Wohnsiedlung mit Holzelementen, mitten im Grünen, mit kleingliedrigen Plätzen, die zu Begegnungen in der Nachbarschaft einladen, schwebt den Planern vor.
Die ehemals herrschaftlichen Gebäude sind mittlerweile zu Bauruinen geworden. Seit etwa 20 Jahren liegt das Grundstück brach. Ein Projektentwickler möchte nun auf dem Grundstück „mitten im Grünen“ Wohnraum schaffen. Foto: Christian LaierDer bestehende Bebauungsplan zur Errichtung eines "Medical Centers mit Hotel" wurde verworfen. Die neue Planung soll nach Angaben des Unternehmens die Bedürfnisse der Bevölkerung nach mehr Wohnraum und dem Wunsch zum Erhalt des vitalen Baumbestandes berücksichtigen. Als nächster Schritt soll das Konzept in Kürze im Gemeinderat und im Ortschaftsrat behandelt werden.
"Es liegt uns sehr am Herzen, das seit Jahrzehnten verwahrloste und brachliegende Grundstück wieder zu beleben. Dieses Quartier wird Neubürgern ein einladendes neues Zuhause sein, weil es neben der wohltuenden Nähe zum Wald ebenfalls Nutzungen vorsieht, die der gesamten Ortsgemeinschaft zur Verfügung stehen und somit eine Integration der Quartiersbewohner in die eingesessene Ortsgemeinschaft fördert", erklärt der gebürtige Heidelberger Ehret.
Um das Projekt verwirklichen zu können, müssen die maroden Bauten zunächst abgerissen werden. Der Beginn der baulichen Maßnahmen hängt von der Dauer des Baurechtsverfahrens ab. In diesem Rahmen wird auch die Öffentlichkeit beteiligt.
Besonders der Baumbestand des Anwesens liegt vielen Daisbacher Einwohnenden am Herzen. "Die bestehenden Bäume wurden alle von einem Vermesser erfasst. Bei der Planung des Quartiers wird auf deren Lage geachtet", erklärte das projektierende Unternehmen auf RNZ-Anfrage. Konkrete Festlegungen, ob die Einwohner nach einer Realisierung des Projektes die Chance bekommen werden, selbst Wohneigentum zu kaufen, gibt es noch nicht. "Wir können uns einen Mix aus Kauf- und Mietwohnungen vorstellen. Den bestehenden Bedarf werden wir im Rahmen der Detailkonzeptionierung des Wohnquartiers prüfen", teilte die Firma mit.
Waibstadts Bürgermeister Joachim Locher hält sich aktuell noch bedeckt und möchte erst den Ortschaftsrat und den Gemeinderat über die neuesten Entwicklungen informieren, bevor er ausführlicher öffentlich Stellung nimmt. "Die Stadt hat die Planungshoheit", stellt er auf Anfrage der RNZ von vornherein klar. Nach dem bestehenden Bebauungsplan sei die Errichtung eines "Medical Hotels" möglich. Für ein neues Konzept müsse sehr wahrscheinlich dieser Bebauungsplan geändert oder ein neuer aufgestellt werden. Dies sei mit dem Landratsamt zunächst abzuklären.
"Die Gründe, warum das ursprünglich geplante Hotel nicht gebaut wurde, sind mir nicht bekannt. Es handelte sich wohl um eine unternehmerische Entscheidung des Eigentümers", erklärt Locher. Nun sei etwas komplett anderes geplant. "Nach einer ersten Aussage möchten die Investoren ein Wohnprojekt entwickeln, das sowohl ökologisch als auch energetisch neue Maßstäbe setzten soll. Das ist natürlich sehr interessant", zeigt sich Locher grundsätzlich offen für das Projekt. "Für eine Umsetzung ist jedoch die Lösung der planungsrechtlichen Problematik von entscheidender Bedeutung", verweist der Bürgermeister auf die noch anstehende Besprechung der Projektidee mit den zuständigen Gremien und der zuständigen Baurechtsbehörde.
In den kommenden Monaten wird sich nun zeigen, ob die ehemalige "Villa" aus ihrem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht und auf dem Gelände neuer Wohnraum entsteht.