Wurde zum "Opfer" eines nächtlichen Gelages mit Schlägerei und Polizeikontrolle: eine der fünf "Alltagsmenschen"-Figuren vor der Volksbank. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Kopf ab statt knuffiger Kunst: Die Reihe von Zerstörungen an den "Alltagsmenschen" der Wittener Bildhauerin Christel Lechner vor der Volksbank reißt nicht ab. Zuletzt haben nächtliche Vandalen einer Figur, welcher die Banker den Namen "Paul" gegeben haben, das Haupt abgeschlagen. Je nach dem wie man zählt, handelt es sich bereits um den vierten Zerstörungsakt innerhalb weniger Jahre an der fünfteiligen Skulpturengruppe, die im Jahr 2011 im Zuge der Frauen-Fußball-WM aufgestellt und dann von der Bank erworben wurde. Landauf, landab gibt es Dutzende ähnliche Fälle. So war es beispielsweise im Rahmen einer Sommerausstellung in Mosbach zu über 25 Beschädigungen an den Alltagsmenschen gekommen.
"Das einzig Gute dran", sagt Marc Eichstätter vom Facility-Management im Haus: "Wir haben den Kopf." Dieser lagere im Büro, sei jedoch beschädigt, trage "eine heftige ,Platzwunde‘"; die Bank hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Vor dem Gebäude steht der Rumpf der Figur, Aktentasche in der Hand, fast so, als wäre nichts geschehen. Ein groteskes Bild. Oberbürgermeister Jörg Albrecht zeigte sich gestern "entsetzt"; die milde lächelnden Figuren mit ihrem Bauchansatz seien doch da, "um Freude zu machen".
Faserbeton mit Styroporkern. Der Täter muss mit Brachialgewalt vorgegangen sein, "Alltagsmenschen" sind deutlich über 100 Kilogramm schwer. Marc Eichstätter hofft, "dass eine Reparatur überhaupt machbar ist", wolle nun die Künstlerin kontaktieren. Es existiere eine Versicherung für das seinerzeit rund 50.000 Euro teure Figurenquintett.
Ohne Wenn und Aber stehe die Volksbank hinter ihren Skulpturen, wolle sie trotz etlicher mutwilliger und einiger unfreiwilliger Zerstörungen auch in Zukunft vor dem Haus haben: "Die Leute machen Selfies mit ihnen", schildert Gerald Barth vom Marketing der Bank, "sie gehören zu Sinsheim." Auch eine Rollstuhlfahrerin sei schon an einem Figurenteil hängen geblieben, das abbrach.
Im aktuellen Fall handelt es sich um Vorsatz, sind sich alle sicher. Denn: Das Ereignis hatte sich bereits in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember ereignet, und damit dann, "wenn einige in der Stadt nicht mehr so ganz nüchtern sind", nimmt Marc Eichstätter Bezug aufs rituelle "Glühweinleertrinken", das immer am letzten Werktag vor Weihnachten als Wurstbuden-Rockfete in der Bahnhofstraße stattfinde. Dort, so schätze man, dürfte sich auch der später enthemmt auf "Paul" einschlagende Täter aufgehalten haben.
Enthemmt, ziemlich sogar: Denn wie auch bei vorangegangenen Vandalismusfällen an den Skulpturen gebe es ein Video der Tat. Zwar weist die Bank mit Schildern auf ihre Videokameras zum Einbruchschutz hin - außerdem liegt der Tatort in Sichtweite des Polizeireviers. Den Täter hielt das offensichtlich nicht ab. Nun sei man "guter Dinge, ihn zu fassen", heißt es bei der Bank.
Die Polizei war da gestern offenbar schon weiter: Zwar gab man sich wortkarg, allerdings wurde der RNZ auf Nachfrage versichert, dass "der Täter gefasst ist". Es handele sich bei dem Mann, dessen Identität nicht genannt wurde, um den Beteiligten einer Schlägerei, die kurz vor der Vandalismus-Tat am Karlsplatz stattgefunden hatte, wie es aus Polizeikreisen heißt. Bei dem Gerangel, das am frühen Sonntagmorgen gegen 5.30 Uhr in einer Bar ihren Anfang nahm (wir berichteten), waren Gruppen junger Männer zunächst verbal, dann handgreiflich aneinander geraten. Gegen fünf Personen wurde wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt.
Einer der Rabauken habe zudem ein Beil mit sich geführt, das allerdings - wie es im Polizeibericht hieß - während des Gerangels "nicht zum Einsatz kam". Die Vandalismustat am "Alltagsmenschen" soll jedoch nach der Kontrolle stattgefunden haben.