Von Tim Kegel
Sinsheim. Viele fanden es feierlicher und insgesamt irgendwie "runder" als in den Vorjahren. Das mag an vielen kleinen Dingen gelegen haben, oder einfach nur daran, dass es deutlich kühler war als in den Jahren zuvor.
Tempo rausnehmen, vom Gas gehen: Mit ihrer kurzen Andacht zur Eröffnung des Weihnachtsmarkts wollten Dekanin Christiane Glöckner-Lang und Dekan Thomas Hafner genau das. Es ging ums "Ankommen" – Advent heißt "Ankunft" – und im weiteren Sinn um eine um sich greifende Rat- und Rastlosigkeit: Wer oder was kommt da an? Verliert man sich im Trubel der Vorweihnachtszeit? Versperren Klassenarbeiten, Konsumiertage und Kochrezepte den Blick auf die Besinnung, nach der sich die Menschen sehnen? Wohltuend erdig und machbar klang der Tipp der Kirche, sich Zeit zu nehmen fürs Briefschreiben an eine Person, die man übers Jahr nicht gesehen hat; für den Bummel mit der Freundin zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt; für Rituale, die jeder für sich selbst finden und pflegen möchte; fürs "nur für sich selbst allein für sich gesungene Weihnachtslied". Der Mensch wisse, wie Besinnung geht – er muss es nur noch machen. Alte Weihnachtslieder wurden gesungen, begleitet vom Posaunenchor. Als Tradition hat sich ein Gedicht entwickelt, welches Rektor a. D. Siegfried Daubenschmitt schreibt und Oberbürgermeister Jörg Albrecht vorträgt. Die Zeilen beschwören ein Stück Alt-Sinsheim herauf, den Geist des Ehrenamts und des Zusammenrückens.
Sinsheimer sind ein traditionsbewusstes Völklein. Tradition heißt hier auch: Zum Weihnachtsmarkt wird mit dem Auto gefahren. Die Parkhäuser und -plätze müssen voll sein, die Straßen dicht, die Nerven blank. Die Stadtbusse, die am Wochenende zum ersten Mal kostenfrei genutzt werden durften, wurden zwar nicht zu jeder Zeit ganz so rege frequentiert, wie man sich dies gewünscht hätte. "Aber man hat es gespürt", sagte Sinsheims Ordnungsamtsleiter Werner Schleifer am Sonntagmittag. Einige Abendfahrten hätten bis zu 40 Gäste transportiert – zu Zeiten, an denen leere Stadtbusse eher üblich sind. Für Dr. Michael Winnes, Manager bei den Verkehrsbetrieben Rhein-Neckar (VRN) und außerdem Eschelbacher, nicht ganz unerwartet: "Es braucht Zeit, bis sich ein ÖPNV-Angebot etabliert", sagte er am Rand des Marktes bei einem Pressetermin. Auch in Städten wie Münster, Karlsruhe oder Hannover rollen an den Adventssamstagen kostenfreie Busse. Man erhofft sich hiervon neue Erkenntnisse für die Mobilitätsforschung. Den Weihnachtsmarkt nutzen die regionalen Nahverkehrsanbieter zur Präsentation des neuen Linienbündels, das ab 15. Dezember zahlreiche neue Verbindungen in Richtung Wiesloch/Walldorf, Bad Rappenau, in der Brunnenregion und im Bereich der Sinsheimer Süd- und Gartenstadt anbietet (wir berichten noch).
Erkenntnisreich auch das Geschehen rund um den Riesen- Flohmarkt in der Elsenzhalle: Der Festplatz am Freibad war zur Eröffnung des Spektakels um 11 Uhr zu zwei Dritteln zugeparkt. Unweit davon ragten bereits die Treppenhäuser des künftigen Stadthallen-Parkhauses in eindrucksvolle Höhen. "Just in Time" wurde die Sanierung der Zufahrt Friedrichstraße fertig, Zu- und Abfahrt klappten tadellos. Wartende Menschenmassen vor der Halle nahmen die Veranstaltung im Sturm. Ein Sinsheimer Phänomen: 63 Paletten mit Waren, verpackt in je 25 Bananenkisten waren angerichtet. Der Aufbau dauert eine Woche – wenn die rund 20 Helfer um Hans-Jürgen Poppe zügig arbeiten.
Moderne und Alt-Sinsheim prallen an den karitativen Ständen zusammen, etwa bei den Hoffenheimer Puppenmüttern: Sie verkaufen selbst gestrickte Puppen- und von Hand genähte "Barbie"-Kleidlein: "Besser als China-Ware" wären die, "und außerdem günstiger". Trotzdem merke man den "Black-Friday-Hype", sagen die beiden Damen: "Wir werden gefragt, ob wir statt zwölf Euro für zehn Euro verkaufen." Die Schnäppchen-Mentalität sei "unpassend" an dieser Stelle.
Gut angenommen wurden die Verpflegungsstände. Mehrweg-Geschirr und Porzellan-Weintassen sind Standard – nur beim 1899-Fanprojekt werden noch die Styroporbecher aufgebraucht. Die Lebenshilfe war am Samstagabend nach Auskunft von Bernd Bauer "kurz vor ausverkauft". Hochzufrieden waren die Handball-Damen des TV Sinsheim: Ihr beliebter Stand war im vergangenen Jahr auf der so genannten "Geschenke-Seite" des Kirchplatzes gelandet und folglich "weitab vom Schuss" als abends die Party stieg. Dieses Mal lag ihr Stand – es gab selbst gemachte Quiche – mittendrin. "Ear Candy" rockten in den kalten Abend.