Dieses eindrucksvolle Fuchs-Portrait ist Robert Müller vom Fotoclub SInsheim kürzlich in Waldangelloch geglückt.
Von Tim Kegel
Sinsheim-Ehrstädt. Sie laufen durch den Ort. Einfach so. Sogar tagsüber. Füchse sorgen im Bergdorf für Ärger. Jetzt musste die Ortsverwaltung reagieren. Ein Hinweis wurde ins Bekanntmachungsblatt gesetzt: Nahrungsmittel sollten nicht im Garten kompostiert, Haustiere nicht im Freien gefüttert und Futter dort nicht gelagert werden.
Vor allem in der Friedrich-Hub-Straße und im sogenannten "Kleinflürlein" wurden die Füchslein gesichtet, "während der normalen Tageszeit", wie es heißt. Angst macht sich breit unter der Bevölkerung, die Füchse könnten den Fuchsbandwurm übertragen, die Räude und die Tollwut. Diesem Treiben tatenlos zusehen müsse auch der Jäger, da "eine Bejagung innerhalb des Ortskerns nicht möglich" sei.
Alles richtig, sagt Ehrstädts Ortsvorsteher Frank Wintterle. Er geht davon aus, dass es "zwei Füchse sind", weil die Sichtungen sich auf zwei Gebiete konzentrieren: Die Friedrich-Hub-Straße liegt im Wohngebiet und macht dort einen langen Bogen durch fast die gesamte Gemarkung der Ortschaft. Das "Kleinflürlein" ist ein Bereich am Ortsrand Richtung Babstadt gelegen. Dort gibt es reich strukturierte Flächen mit Baumbestand, Wiesen und Gräben – ideal für Füchse. Doch schaut man sich das eher entlegene Ehrstädt genau an, so eignet sich die gesamte Ortschaft – von der waldigen Mühlen-Aue über die Höhen am Schloss Neuhaus bis zur den weiten, alten Gärten im Hinterdorf – als echtes Fuchsparadies. Blickt man auf Ehrstädt von oben, so sieht man eindeutig mehr Grün als Grau.
Doch selbst Berlin und andere Großstädte sind Fuchsparadiese. Genaugenommen braucht’s der Fuchs nämlich nicht sonderlich paradiesisch. So habe es der Wildtierbeauftragte des Rhein-Neckar-Kreises bereits im Jahr 2017 dem Ehrstädter Ortschaftsrat geschildert.
Füchse fänden sich in nahezu jeder Lebenslage zurecht, seien zufrieden, wenn sie Nahrung und Unterschlupf finden, noch dazu extrem anpassungsfähig und gelehrig. Menschliche Siedlungsgebiete, in denen Füchsen keine Gefahr droht, schrecken sie nicht ab. Man könne "nicht viel mehr machen als dafür sorgen, dass der Fuchs keine Nahrung findet", erinnert sich Wintterle an den Termin im Ortschaftsrat, bei dem es auch "um Rehe in Ortsnähe" gegangen war.
Die Füchse sind geblieben. Von fünf Sichtungen in den vergangenen Wochen hat Wintterle erfahren. Die Tiere, so nimmt man an, hatten’s "auf Komposthaufen und Hundefutter" in den Gärten und Höfen Ehrstädts abgesehen. Zu denken gibt Wintterle das Verschwinden "von einem Hasen aus einem Stall". Dessen Türen seien eines Tags beschädigt gewesen, der Hase gilt bis heute als vermisst. "Man weiß nicht genau, was gelaufen ist", sagt Wintterle. Der Fuchs-Verdacht liege aber schon nah. "Und andere Leute im Ort halten Hühner und Enten."
Schnell wurde eine Meldung im Mitteilungsblatt gemacht. Dies wiederum, räumt Wintterle ein, habe Fuchs-Freunde auf den Plan gerufen. Und während die einen sich sorgten, der Fuchs könne Nutztiere reißen und Krankheiten einschleppen, machten sich die anderen Gedanken, dass der Jäger kommt und den Fuchs totschießt. Tatsache ist, dass die Tollwut-Seuche, die früher auch von Füchsen übertragen wurde, in weiten Teilen Europas als ausgerottet gilt, in Deutschland laut Weltgesundheitsorganisation seit 2008.
Der Befall von Füchsen mit Räude-Milben sorgte zwar kürzlich in der Rheinebene für Aufsehen, dezimiert werden aber hauptsächlich die Füchse selbst, Haustiere kann der Tierarzt behandeln. Und: Die Zahl der Menschen, die in Deutschland am Fuchsbandwurm sterben, lag im Jahr 2016 laut Robert-Koch-Institut bei 26 Personen; rund zehn Menschen jährlich werden laut "Focus"-Recherchen von einem Blitz erschlagen.
"Trotzdem ist ein Fuchsbandwurm nichts Spaßiges", sagt Dorian Jacobs, der Wildtierbeauftragte des Rhein-Neckar-Kreises. Die Parasiten könnten sämtliche Organe befallen und – da oft lange beschwerdefrei – schwere Leber- und Hirnschäden bis zum Tod auslösen.
Zwei in Ehrstädt ihre Bahn ziehende Füchse findet Jacobs "jetzt nicht so dramatisch". Selbst Jäger, sieht er die Hauptgefahr darin, dass eine steigende Fuchspopulation Tierarten in Gefahr bringt, die in den Gärten und der Feldflur der modernen Zeit weniger gut klarkommen als der Fuchs, wie Singvögel und Wildhühner und deren Nester, aber auch Lurch- und Eidechsenarten.
Ein Umstand, den der Gesetzgeber nach Ansicht Jacobs’ zu wenig auf dem Schirm hatte, als unter dem damaligen Grünen-Minister für Ländlichen Raum Daniel Bonde ein "modernisiertes" Jagdgesetz verabschiedet wurde: Durch die Einschränkung der Fuchsjagd mittels einer festen Jagdzeit vom 1. August bis 28. Februar werde eine Art unter besonderen Schutz gestellt, die diesen "nicht so nötig hätte wie andere Wildtierarten".