Täglich Anfragen für Schneidetermine haben Friseure, hier Stephan Wanner kurz vor dem zweiten Lockdown. Archivfoto: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Sinsheim. Ansturm auf die Friseure. Nach dem Corona-Lockdown dürfen die Salons ab 1. März wieder öffnen. Mit ausgeweiteten Öffnungszeiten, Schichtdienst und Erreichbarkeit auf allen Social-Media-Kanälen reagiert der Berufsstand auf die enorme Nachfrage.
Stephan Wanner vom "Team Wanner" in der Muthstraße hat einen Satz in den letzten Tagen sehr häufig gehört: "Kann man schon Termine machen?" Viele Kunden rufen an, aber viele sind auch verunsichert und fragen sich, ob es vor dem 1. März überhaupt möglich ist, den Termin fix zu machen. Wanner ist bereits für Wochen nach dem 1. März gut gebucht. Auch während des Lockdowns war er nicht untätig und hat den kompletten Salon renoviert, wie einige der über 20 Salons in Sinsheim. "Wir haben die Zeit genutzt und von oben bis unten alles frisch gemacht", wirbt Wanner. Der Telefonansturm rollte bereits an, bevor die Ministerpräsidentenkonferenz, nach der die Lockerungen der Corona-Maßnahmen verkündet wurden, beendet war.
Vor eine große Herausforderung stellt die Friseure aber eine Zehn-Quadratmeter-Regel, die als Teil des Hygienekonzepts der Landesregierung und als Bedingung für die Öffnung zunächst verlangt, dann aber wieder gekippt wurde. Demnach sollen für jeden Kunden und für jeden Mitarbeiter im Raum mindestens zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen. Nach dieser Regelung ist eine hohe Kundenfrequenz, wie sie vor der Pandemie üblich war, absolut nicht möglich. Schon gar nicht für kleinere Salons mit deutlich geringerer Fläche. Bei einer Kundin Farbe einwirken zu lassen und währenddessen einem anderen Kunden die Mähne stutzen? Für so etwas wird Fläche benötigt.
Wanner selbst mag hier weniger in die Bredouille kommen, seine Geschäftsfläche hat 200 Quadratmeter. Dennoch: Bei der Regelung wird nur die reine Salonfläche, also die Bedienungsfläche, berücksichtigt. Rezeption oder Warteraum zählen nicht dazu. "Nach momentanem Stand arbeiten wir nur mit der Hälfte der Belegschaft", plant der Geschäftsinhaber. Er müsse nun mit weniger Mitarbeitern kalkulieren, "sonst haben wir ein Problem". Zwar hat die Landesregierung die Zehn-Quadratmeter-Regelung wieder gekippt – aber wer weiß? Denn die Berufsgenossenschaft geht weiterhin von dieser Verordnung aus.
Wonach richten sich die Friseure nun? "Wir wissen noch gar nicht genau, wie wir arbeiten dürfen und wie wir uns verhalten sollen", grübelt Wanner. Es herrsche viel Unsicherheit. "Im Zweifelsfall" habe "bisher immer die strengere Regel" gegolten. Unterdessen ist er froh, dass es wieder losgeht. Das Argument einiger Politiker, dass die Friseure, wenn sie die langen Haare stutzen, auch die Würde des Menschen zurechtrücken würden, hält er für abstrus. Dass eine flotte Frisur auch mental wieder auffrische, keine Frage. "Aber das hat doch nichts mit der Würde zu tun", meint der Friseurmeister.
Thomas Steidel, Geschäftsführer des Salons "Haarmacher" in der Burggasse, macht seit Tagen nonstop Telefondienst und ist über alle Kanäle erreichbar, um den Kunden die begehrten Termine zu geben. "Wir werden über alle Möglichkeiten angeschrieben und nutzen auch die Rufumleitung, um alle Anfragen beantworten zu können", schildert der 55-Jährige, "denn der Ansturm ist sehr groß." Viel Verständnis zeigten die Kunden für die Hygieneregeln. "Für beide Seiten ist das wichtig, für die Kunden und die Mitarbeiter." Steidel und seine Mitarbeiter haben sich im Schichtbetrieb organisiert, von 7 bis 21 Uhr soll der Laden ab 1. März geöffnet sein.
Über mehrere Wochen ist Steidel bereits ausgebucht. Seine Arbeit hat er sehr vermisst: "Das ist für mich Berufung." Er verrät, dass er während des Lockdowns durchaus auch mal im Salon stand und sich vorgestellt hat, die Kunden seien da. "Das hat mir sehr gefehlt", bekennt Steidel.
Volle Auftragsbücher hat auch Sandra Marhoffer vom Salon "Haarmonie" in der Werderstraße. Sie schiebt bereits viele Tage vor der Wiederöffnung Telefondienst, um für die Kunden erreichbar zu sein. Silke Grab-Stricker von der "Haar-Lounge" in der Alten Daisbacher Straße arbeitet jeden Tag die zahlreichen Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter ab. Ihr Handy vibrierte wild, kurz nachdem die Bundeskanzlerin verkündet hatte, dass die Friseure wieder öffnen dürfen.
Ihren Geburtstag am 2. März feiert Grab-Stricker im Salon: "Ich bin einfach nur glücklich, dass ich wieder arbeiten darf." Doch für wie lange? Die Skepsis, dass die Salons vielleicht wieder schließen müssen, wenn Infektionszahlen erneut in die Höhe schießen, schwingt immer mit. Von den staatlichen Finanzhilfen, die für den zweiten Lockdown versprochen wurden, sei bislang noch nichts geflossen, schildern die meisten. Dennoch gibt es auch Grund zum Schmunzeln: Viele Kunden haben sie scherzhaft gefragt, ob sie einen Container vor die Türe stellen wolle für die enorme Fülle an abgeschnittenem Haar, die nun anfalle, sagt Grab-Stricker und lacht.