Eva Bender, Fachkraft für Sonderpädagogik an der Steinsbergschule, hilft einer Schülerin beim Stempeln mit Farbe. Foto: Christian Beck
Von Christian Beck
Sinsheim. Nirgendwo kommen sich Schüler und Lehrer so nahe, wie in Sonderpädagogischen Bildungszentren. Doch während alle anderen Schulen auf Fernunterricht setzen, haben Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung seit Montag wieder Präsenzunterricht. Dieser Sonderweg ist nicht gut, findet Andreas Fuchs, Rektor der Steinsbergschule. Weder für die Schüler, noch für die Lehrer.
Argumente, die für diesen Schritt sprechen, gibt es dabei durchaus: Neben der Gemeinschaft, die allen Schülern momentan fehlt, ist es vielen Kindern mit Behinderung kaum möglich, zu Hause schulische Inhalte zu lernen. Denn Zahlen und Buchstaben haben für einige von ihnen keine Bedeutung. "Unsere Schüler lernen über das Tun", erklärt Fuchs. Zudem hätten Eltern sonst ein erhebliches Betreuungsproblem. Das trifft momentan sicher auf viele Mütter und Väter zu. Doch ein Kind mit Behinderung zu Hause zu betreuen, ist eine große Herausforderung. Einige Elternteile, deren Kinder die Steinsbergschule besuchen, sind zudem alleinerziehend. "Das Argument kann ich nachvollziehen", sagt Fuchs.
Problematisch sei jedoch zum einen, dass der Beginn des Präsenzunterrichts kurzfristig kommuniziert wurde: Am Mittwoch kam die Nachricht von Ministerialdirektor Michael Föll. "Da hat niemand mit gerechnet", berichtet Fuchs. Doch vor allem störe die Lehrer die Ausnahmeregelung. Für Kinder ohne Behinderung gilt sie nicht. Doch auch manche Kinder mit Behinderung sind davon nicht betroffen: Während laut Fuchs etwa 70 Prozent der Mädchen und Jungen wieder an die Steinsbergschule gekommen sind, wird an der Carl-Orff-Schule oder der Schule am Michaelsberg momentan kein Präsenzunterricht angeboten.
Viele seiner Lehrer seien deshalb wütend und hätten Angst. Sie hätten große Bedenken, sich anzustecken. Denn Abstand halten ist bei Schülern mit Behinderung oft unmöglich: Einige Kinder müssen gewickelt werden, bei anderen ist der Speichelfluss stark ausgeprägt. Und wieder andere beruhigen sich nur, wenn sie in den Arm genommen werden. "Führung durch körperliche Grenzen" nennt dies Fuchs. Doch gerade diese Kinder sind oft selbst Teil der Risikogruppe, beispielsweise, weil sie einen Herzfehler oder eine chronische Bronchitis haben. Der Rektor sagt dazu: "Ich könnte mir vorstellen, dass bei der Entscheidung eine Rolle gespielt hat, dass es um eine kleine Gruppe in der Bevölkerung geht." Deutlicher formuliert heißt das: Kinder mit Behinderung gibt es nicht viele, und kaum jemand interessiert sich für sie. Und für deren Lehrer auch nicht.
Doch gibt es eine Alternative? Fuchs sagt, es wäre besser gewesen, zunächst einmal nur die Notbetreuung anzubieten, so wie an anderen Schulen auch. Dann wären weniger Schüler gekommen, die Abstände in den kleinen Zimmern hätten ein wenig besser eingehalten werden können. Und der Rektor macht sich dafür stark, dass Lehrer an Schulen, die nun wieder Kinder unterrichten und kaum Abstand halten können, früher geimpft werden. Denn aktuell vermutet Fuchs: "Es wird wohl Sommer, bis alle Lehrer geimpft sind."