Schülerinnen und Schüler der 7a des Wilhelmi-Gymnasiums strichen gestern Nachmittag auf eigenen Wunsch ihr Klassenzimmer und hatten Spaß dabei. Ihr Klassenlehrer Karsten Grünberg findet das super. Foto: Christian Beck
Von Christian Beck
Sinsheim. Dass die Zahl der Schüler am Wilhelmi-Gymnasium (WHG) vor Jahren deutlich höher war, ist Fakt: Von über 1000 sind sie auf momentan 640 gesunken. "Nicht erfreulich" nennt Schulleiter Thomas Gißmann diese Entwicklung.
Doch was ist deren Ursache? Nach Ansicht einiger Sinsheimer ist der Ruf der Schule nicht der beste: Merkwürdige Lehrer, viel Druck bei den Schülern, ein unattraktives Gebäude – diese und weitere Aussagen wurden unserer Zeitung immer wieder genannt. Die RNZ fragte nach.
Das Gebäude
Entstanden ist der Bau in brutalistischer Sichtbeton-Optik im Jahr 1970. Als Schmuckstück gilt er nicht. Allerdings sind viele Schulen in dieser Zeit gebaut worden – so auch das Adolf-Schmitthenner-Gymnasium in Neckarbischofsheim und das Leibniz-Gymnasium in Östringen. Mit diesen beiden Schulen steht das WHG auch in einem gewissen Wettbewerb um Schüler. Baudezernent Tobias Schutz bezeichnet den baulichen Zustand in Sinsheim als gut: Im Jahr 2010 gab es eine Außensanierung, danach tauchten im städtischen Haushalt Jahr für Jahr sechsstellige Summen auf, die für Umbauten an der Schule geflossen sind. Laut Schutz wurde der Brandschutz auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. In diesem Zuge seien Flure, in denen früher dunkle Holzdecken verbaut waren, deutlich heller gestaltet worden. Nach und nach wurden Fachräume modernisiert.
Und jedes Jahr in den Sommerferien würden vier bis fünf Klassenzimmer aufgefrischt, beispielsweise mit neuem Linoleum-Boden versehen. Manche Schüler streichen laut Schulleiter Thomas Gißmann ihren Klassenraum auf eigenen Wunsch selbst – am gestrigen Donnerstag schwangen Mädchen und Jungs der 7a den Pinsel und verpassten "ihrem Raum" ein neues, helles Blau. Eine größere Sanierung ist laut Schutz vor diesem Hintergrund nicht geplant. Gißmann ist es wichtig, bei der Innensanierung und der digitalen Modernisierung dranzubleiben: Beamer und moderne Tafeln, sogenannte White-Boards, gebe es bisher nicht in allen Räumen, dies solle aber kommen.
Lehrer und Schulleitung
Dass es einige merkwürdige Lehrer am Wilhelmi-Gymnasium gab, darüber scheint in der Stadt ein Stück weit Konsens zu herrschen. "Die gibt es nicht mehr an der Schule", sagt Gißmann dazu, so mancher Leser ist anderer Meinung. Das Kollegium – 65 Lehrer unterrichten dort – hat sich laut Gißmann in den letzten Jahren sehr verjüngt. Das gilt (demnächst) auch für die Leitung: Die stellvertretende Schulleiterin Alexandra Meng-Emmerich ist seit diesem Schuljahr im Amt. Thomas Gißmann, seit 2007 Schulleiter am WHG, wird zum Schuljahresende in Pension gehen. Wer seine Nachfolge antreten wird, ist noch nicht klar.
G8 oder G9?
Bei den Schülern wird kräftig ausgesiebt, wurde der RNZ zugetragen. Gißmann verneint dies, das Gegenteil sei der Fall, man kämpfe um jeden Schüler. Doch klar ist auch: Im Vergleich zu G9, hier besuchen Schüler neun Jahre das Gymnasium, haben G8-Schüler ein Jahr weniger Zeit, um denselben Stoff bis zum Abitur zu lernen.
Sowohl das Adolf-Schmitthenner-Gymnasium in Neckarbischofsheim als auch das Leibniz-Gymnasium Östringen bieten G 9 an. Als sogenanntes Pilotprojekt. Denn G8 ist der Normalfall, der bei einigen Eltern aber offenbar nicht so gefragt ist. Ein Vater mit Kindern am WHG berichtet beispielsweise, dass sich manche Schüler angesichts der Anforderungen schwertun – nicht für jedes Kind sei G8 geeignet. Gißmann sagt dazu: "Wer eine gute Gymnasialempfehlung hat, schafft es auch bei uns."
Klar ist: Fällt ein Schuljahr weg, sinken die Schülerzahlen automatisch. Tatsächlich gab es in Sinsheim mehrere Anläufe, dort ebenfalls G 9 anbieten zu können, auch Oberbürgermeister Jörg Albrecht setzte sich dafür ein. Bislang ohne Erfolg. Dass es dieses Angebot in Sinsheim nicht gibt, wird vielfach als Argument verwendet, dass Schüler aus Sinsheim andere Schulen besuchen. Dazu gehören sicher auch die beruflichen Gymnasien in der Stadt.
Was sagen andere Schulleiter?
Offenbar hält sich die Zahl der Sinsheimer Kinder, die die Gymnasien in Neckarbischofsheim oder Östringen besuchen, in Grenzen. Harald Frommknecht, Schulleiter des Adolf-Schmitthenner-Gymnasiums spricht von weniger als zehn Schülern pro Jahrgang. Aus der Kernstadt sei es wohl eine Handvoll. Die meisten kommen aus Adersbach, Ehrstädt und Hasselbach – diese Schüler gingen schon immer ans ASG – oder aus Steinsfurt und Rohrbach. Ulrike Sauer-Ege, Leiterin des Leibniz-Gymnasiums, spricht von "ganz wenigen Schülern aus dem Sinsheimer Raum". In der Klassenstufe 5 seien es vier Schüler, in der Klassenstufe 6 nur einer. Und Schüler aus Waldangelloch gehen traditionell ans LGÖ.
Doch sowohl in Neckarbischofsheim als auch in Östringen sind die Schülerzahlen gestiegen: Am ASG sind es etwa 1000, am LGÖ 1412. Dies liegt laut beiden Schulleitern auch am Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung. Beide nennen eine Größenordnung von etwa zehn Prozent an Kindern, die nun aufs Gymnasium gehen, obwohl eine andere Schulart wohl besser für sie geeignet wäre.
Wie geht es in Sinsheim weiter?
Gißmann hofft, dass das Sportprofil mehr Schüler nach Sinsheim zieht. Hier könne auch eine Kooperation mit der TSG Hoffenheim zum Tragen kommen. Dann könne die Schule möglicherweise wieder vier Züge anbieten – in der Vergangenheit hätten dafür oft nur ein paar Schüler gefehlt.