Jetzt noch Grünzone und Hohlweg, bald ein Wohngebiet: Die "Bettelmannsklinge" ist "ökologisch wertvoll" - und die Naturschutzbehörde ist nicht wirklich begeistert von dem Bauvorhaben. Foto: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Reichartshausen. "Ich habe Angst, dass uns das ganze Verfahren um die Ohren fliegt", äußerte Rüdiger Heiß abermals Bedenken im Gemeinderat, dass unter dem Dach des Paragrafen 13b des Baugesetzbuches die "Bettelmannsklinge" in einer beschleunigten Gangart bis zur Baureife geritten werden soll. "Ich habe nichts gegen den 13b", betont Heiß jedoch auch.
Was ihm stattdessen sehr zu denken gibt, ist der mahnende Finger, den die Untere Naturschutzbehörde erhoben hat. Eine sehr komplexe Sachlage veranlasste den Bürgervertreter nun zu seiner Äußerung im Rund: "Ich kriege da wirklich Bauchschmerzen."
Doch der Reihe nach: Bevor das Neubaugebiet "Bettelmannsklinge" spruchreif wird, soll die künftige Gestaltung auf allen Seiten nach der Machbarkeit abgeklopft werden. Außerdem soll überprüft werden, welche "Dellen" es in der Natur verursacht. Dies ist nun mit der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs geschehen.
Im gleichen Zuge wurden die "Träger öffentlicher Belange" um ihre Meinung zum Vorhaben gefragt. Dazu gehört auch die Untere Naturschutzbehörde, die nun gewichtige Bedenken äußert. Einerseits. So schreibt sie zum beschleunigten Vorgehen: "Aufgrund der hohen ökologischen Wertigkeit des Planungsgebietes erscheint dies aus unserer Sicht problematisch."
Denn unter dem Geleit des Paragrafen, der 2017 eingeführt wurde, um schnell Wohnraum zu schaffen, jedoch nur noch dieses Jahr gültig ist, ist kein Umweltbericht und auch keine Eingriffs-Ausgleichs-Bilanzierung erforderlich. Andererseits räumt die Behörde aber auch ein: "Es ist zwar nachvollziehbar, dass dieses Gesetz seitens Naturschutzvertretern kritisch gesehen wird. Es ist juristisch jedoch nicht zu beanstanden, dass Kommunen von dieser Vereinfachung Gebrauch machen."
Ob die Kommune mit ihrer Baugebietserschließung nach Paragraf 13b auf das richtige Pferd gesetzt hat, wagt Rüdiger Heiß nun erneut zu bezweifeln: "Das Verfahren nach 13b ist rechtlich vielleicht sauber, aber die Bedenken aus Umweltsicht sind da." Er will nun dafür sensibilisieren, dass man möglicherweise mit der Unteren Naturschutzbehörde "stark verhandeln" müsse: "Ich weiß nicht, wie kompromissbereit die sind."
Denn die Behörde mahnt das "starke Heranrücken des geplanten Wohngebietes an die Biotope" sowie die "teilweise Zerstörung" derselben an. Zehn Meter Abstand sind vorgeschrieben, doch diese können wohl nicht ganz eingehalten werden. Hier stehen sich Wirtschaftlichkeit und der Naturschutz im Wege.
Eng könnte es auch an anderer Stelle werden: Denn das beschleunigte Verfahren reglementiert auch die Fläche, die überbaut werden darf. 10.000 Quadratmeter reiner Wohnraum sind gestattet. Nur 35 Prozent der Grundstücksfläche eines Bauplatzes dürfen daher mit dem Wohngebäude bebaut werden. Garagen gehen extra. "Das muss man wissen", betont Heiß. Eine Erhöhung der Grundflächenzahl auf einer Seite bedinge dann zwangsläufig eine Reduzierung an anderer Stelle.
Was heißt: Wenn nun etwa ein Haus großzügiger gestaltet werden soll, muss ein anderer Neubau im Ausgleich dafür abspecken. Das Baugebiet sei doch "ziemlich nahe an den zulässigen 10.000 Quadratmetern", warnte Heiß. Er verdeutlichte trotz seiner Bedenken seine klare Haltung: "Mir wäre es recht, wenn wir das Vorhaben im 13b durchbekommen würden."
Er führte auch einen kritischen Hinweis des Baurechtsamtes an: "Wenn man in diesem Verfahren drin ist und eine fehlerhafte Verfahrenswahl festgestellt wird, können wir von vorne beginnen." Heiß rief dazu auf, den Hinweis des Baurechtsamtes ernst zu nehmen. Denn wenn der Gemeinde das Verfahren tatsächlich "um die Ohren fliegen" sollte, verliert sie etwa ein Jahr intensivster Planung - und Geld.
Lars Petri vom Erschließungsträger GkB, der in der Sitzung die Stellungnahmen der Ämter deutete, sah jedoch keine Gefahr: "Der Paragraf ist ein Absatz, der vielerlei Interpretationsspielraum lässt. Die Baurechtsbehörde will da eigentlich nur auf Vorsicht hinweisen." Petri relativierte weiter: "Der 13b ist umstritten, das ist keine Frage; er ist allerdings politisch gewollt, um Wohnraum zu schaffen." Für die Kommunen gebe es keinen Anlass, ihn nicht zu benutzen. Die Biotope im Areal seien überdies kein Hinderungsgrund für den 13b.
Heiß wich jedoch nicht von seiner "Habacht-Stellung" ab und bestand darauf, dass seine "starken Bedenken" ins Protokoll aufgenommen werden.