Verschüchtert und misstrauisch wirkt Katze Elly auf dem Bild. Kein Wunder, als wild lebende Katze kennt sie den Umgang mit Menschen nicht. Trotzdem geht es ihr den Umständen entsprechend gut im Tierheim. Foto: privat
Von Anjoulih Pawelka
Bad-Rappenau. Haben Polizeibeamte eine Tierärztin unter Druck gesetzt und ihr gesagt, dass sie eine angefahrene Katze behandeln müsse, weil die Polizisten das Tier sonst erschießen würden? Genau das hat Almuth von Scheven nach eigenen Angaben erlebt. Die Polizei hingegen widerspricht den Angaben in einigen Punkten.
Es war am Ostersonntag, als in Obergimpern die junge Katze von einem Auto angefahren wurde. Um 8.30 Uhr hätten drei Polizeibeamte an ihrer Haustür geklingelt. "Ich habe einen totalen Schreck bekommen", sagt die Tierärztin, die im Stadtteil Bonfeld eine Praxis für Pferde betreibt. Die Polizisten hätten ihr erklärt, dass sich von Scheven um die Katze kümmern solle. Diese habe zu diesem Zeitpunkt nur noch leichte Zuckungen gezeigt und sei mehr tot als lebendig gewesen.
Die Tierärztin erzählt, wie sie den Beamten erklärte, dass sie vor allem Großtiere behandle und Kleintiere nicht ihr Schwerpunktgebiet seien. Das habe die Polizisten nicht interessiert. Sie hätten gesagt, dass sie es schon in anderen Tierarztpraxen in der Umgebung versucht, aber niemanden erreicht hätten. Daher müsse von Scheven die Katze versorgen. Sie sei die "letzte Lösung", hätten die Polizisten gesagt, sonst müssten sie das Tier erschießen, beschreibt von Scheven den Vorfall. Für sie sei es selbstverständlich gewesen, dass sie sich der Katze annahm. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich aber keiner der drei Beamten vorgestellt oder seinen Ausweis gezeigt, erzählt sie weiter.
Die Katze habe derweil "komatös" in einem Karton gelegen und erst einmal eine Infusion erhalten. Von Scheven habe die Beamten dann gebeten, ein Blatt auszufüllen, damit die Tierärztin einen Nachweis habe, wie das Tier zu ihr kam. Nur so könne sie die Behandlung abrechnen. Laut von Scheven hätten sich die jungen Polizisten geweigert, sowohl das Papier auszufüllen als auch ihre Namen zu nennen.
Yannick Zimmermann von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Polizei beschreibt den Vorgang auf Anfrage dieser Zeitung wie folgt: "Der Tierärztin wurde nicht mitgeteilt, dass die verletzte Katze im Falle einer Nichtbehandlung erschossen werden muss", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. Nachdem sich ein Zeuge bei der Polizei gemeldet habe, der die verletzte Katze gefunden hatte, hätten die Beamten erfolglos versucht, die Tierrettung zu kontaktieren. "Auf einen Hinweis des Zeugen, dass eine Tierärztin in der Nähe wohnt, wurde diese aufgesucht."
Die Kollegen hätten das Papier von der Tierärztin nicht ausfüllen wollen, ohne zuerst weitere Möglichkeiten zu prüfen. "Es bestand ja auch immer noch die Möglichkeit, dass die Tierrettung zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werden kann." Auch den Vorwurf, dass die Beamten ihre Namen nicht nennen wollten, weist Zimmermann zurück. "Bei dem Einsatz am Ostersonntag trugen die Kollegen Uniform und fuhren mit einem Streifenwagen zum Aussiedlerhof, waren somit als Polizeibeamte erkennbar. Weiter wurden sie nicht nach ihren Namen gefragt." Dies sei auch nicht notwendig gewesen, da die Kollegen ihre Namensschilder an der Uniform getragen hätten.
Grundsätzlich dürften Polizeibeamte Tiere erschießen, aber nur als letzten Ausweg, um sie von ihrem Leiden zu erlösen. "Wenn Beamte ihre Schusswaffe einsetzen, dann müssen sie im Vorfeld jede andere Möglichkeit ausgeschöpft haben", schreibt Zimmermann. Grundsätzlich sei die Zielrichtung der Polizei aber, dem Tier zu helfen.
Dabei komme es sehr stark darauf an, wie schwer die Verletzungen des Tieres sind und wie lange es dauert, bis die zuständigen Stellen vor Ort kommen können oder das Tier zu einem Arzt gebracht werden kann. "Ein Wirbeltier unnötig leiden zu lassen, stellt eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz dar", erinnert Zimmermann. Die Katze vom Ostersonntag sei nach Einschätzung der Polizeibeamten nicht so schwer verletzt gewesen.
Von Scheven behielt das inzwischen "Elly" getaufte Tier laut eigener Darstellung die Nacht über in ihrer Praxis und versorgte es weiter. Elly habe ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und epileptische Anfälle gehabt. Sie wurde in ein künstliches Koma versetzt. Danach habe sich die Katze Schritt für Schritt erholt.
Nun lebt Elly beim Heilbronner Tierschutzverein. Dort erholt sie sich derzeit weiter von ihren Strapazen. Es gehe ihr "so weit gut", sagt Vorsitzende Silke Anders. Elly sei "aktuell noch in der Genesungsphase", sehr schüchtern und den Umgang mit Menschen nicht gewöhnt.