Unter einer Fristsetzung von drei Monaten sollen der Adressat und seine Familie aufgefordert worden sein, sämtliche Geschäftstätigkeiten in Kirchardt einzustellen. Dazu gehört auch die Aufgabe des Tankstellenbetriebs. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Von Anjoulih Pawelka
Kirchardt/Heilbronn. Weil er volksverhetzende Texte verschickt sowie Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen genutzt hat und einer aramäischen Familie ein Drohschreiben zukommen lies, musste sich ein Kirchardter am Montag vor dem Heilbronner Amtsgericht verantworten.
Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, dass er unter anderem in einer Chatgruppe ausländerfeindliche Bilder verschickt hat. Unter anderem ging es dabei um ein Foto, auf dem eine Anzeige einer afghanischen Familie zu sehen war, die eine Wohnung sucht. Unter der Anzeige war das Foto eines Konzentrationslagers und die Bemerkung "ich hätte da was" sowie der Hinweis, dass es dort sogar eine Zuganbindung gebe, zu sehen. Außerdem verschickte der Angeklagte 2018 ein weiteres Foto, auf dem Adolf Hitler samt Hakenkreuz zu sehen war, mit dem Slogan: "Der Führer wünscht allen deutschen frohe Weihnachten."
Schon zu Beginn der Verhandlung räumte der Angeklagte ein, dass er im Februar 2018 in besagter "WhatsApp"-Gruppe eine Nachricht mit der Aufforderung zum Teilen verschickt hat. Darin war die Rede von Menschen arabischer Herkunft, die ständig Wünsche hätten, wie etwa nach islamischen Feiertagen, Halal-Essen, Moscheen und abgetrennten Bereichen in Schwimmbädern. Es werde "geraubt, überfallen, geprügelt, vergewaltigt und gemordet, als wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt".
Dass die Bilder und der Text volksverhetzend sind, konnte der Angeklagte nicht nachvollziehen. Er berief sich immer wieder auf die Meinungsfreiheit, auf die der Richter in seinem Plädoyer auch noch einmal einging. Das Argument würde genutzt um "jeden Mist zu legitimieren". Das sei keine Meinung, sondern falsche Fakten. Der Angeklagte vertrat die Meinung, dass in dem Text "relativ viel Wahrheit" drin sei. Ausländerfeindlich sei er aber auf keinen Fall. Er habe sowohl eine türkische Frisörin, lasse sein Auto bei einem Türken reparieren und gehe auch ab und zu Kebab essen.
Dass er einen Drohbrief an eine aramäische Familie in Kirchardt gesendet hat, bestritt er jedoch. In dem anonymen Schreiben wird der Familie gedroht, dass sie mit chemischen und biologischen Waffen exekutiert würden, sollten sie ihre Geschäfte nicht abgeben. Unterschrieben war der Brief mit NSU 2.0. Der Angeklagte äußerte vielmehr die Vermutung, dass die Familie selbst dieses Schreiben verfasst habe, um ihn als geschäftlichen Konkurrenten loszuwerden. Dabei hatte ihm sein Vertragspartner zum Jahresende schon gekündigt. Es hätte also nur über den Zeitraum von zwei Monaten zwei dieser Geschäfte im Ort gegeben.
Bei der Hausdurchsuchung Anfang Oktober 2019 stellten die Polizeibeamten unter anderem ein handgeschriebenes Schriftstück sicher. Es trägt den Titel "Anweisungen an Politik und Bürger". Dieses habe Ähnlichkeiten mit dem Drohschreiben gehabt, erzählte der Kriminalkommissar. Außerdem habe man auf dem Computer des Angeklagten Fragmente von Dokumenten gefunden, die den Namen der Familie trugen. Ebenso hat der Angeklagte im Mitteilungsblatt eine Anzeige veröffentlicht, in der er der Familie in seinem Geschäft Hausverbot erteilte. Hier war der Name der Familie genauso falsch geschrieben wie im Drohbrief, den die Familie in ihrem Postfach gefunden hat.
Wie sich im Laufe der Verhandlung herausstellte, hat sich der Angeklagte auch für Immobilien interessiert, die dann aber die Familie gekauft hat. Daher glaubte der Richter die Aussage des Angeklagten auch nicht, dass er mit der Familie nichts zu tun habe. Schlussendlich entschied der Richter, dass der Angeklagte eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren bekommt, die drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wird. In seiner Begründung sah er es als ergeben an, dass der Angeklagte eine ausländerfeindliche Gesinnung hat und das begangenen Unrecht der Nationalsozialisten verharmlose. Dass der Angeklagte seine Drohungen wahr gemacht hätte, bezweifelte der Richter allerdings, informierte aber auch, dass anstelle der Nötigung auch Erpressung als Anklagepunkt in Frage gekommen wäre. Außerdem muss der Angeklagte 3000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen.