Die Bauwagen-Truppe ist Spezialist für Flammkuchen. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Bad Rappenau-Bonfeld. Es gibt keinen Fassanstich, kein offizielles Brimborium, dafür die bekannten Hähnchen und viel gutes Essen, das von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr wechselt. Eine Band tritt nicht auf, stattdessen haben sie Sitzecken zum Wohlfühlen. Und noch etwas gibt es offenbar nicht: Neid und Missgunst unter den Vereinsaktiven, denn alle wirtschaften in eine Kasse. Seit gut 30 Jahren ist das so.
"Das Dorf feiert sich selbst", getragen von der Feuerwehr, der Feuerwehr-Bauwagen-Truppe, dem Sportverein, dem Musik- und dem Landwirtschaftlichen Ortsverein, vom Frauentreff, dem Teddybären-Freundeskreis und dem Kindergarten. Macht alle Vereine aus dem garnicht mehr so kleinen Bonfeld, rund 2000 Menschen leben hier.
Anja Mathis vom Musikverein stapelt tief: "Wir wollten nicht nur Steaks und Würste", kleine Stände und Besonderheiten - und darauf läuft es seit 1991 hinaus, als sie es schafften, erstmals eine Kirchweih mit allen Vereinen auszurichten.
Bonfelder Kerwe, mit Liebe gemacht (v. links): Gao Xia (M.), die Frau von Werner Fleck (r.) ist Expertin für Cina-Nudeln. Foto: Tim Kegel
Das Kerwephänomen von Bonfeld: Der Montag ist der große Tag. Dann sitzen bis zu 800 Leute gleichzeitig - über den Tag verteilt sogar einige mehr - beim "Kerwegedeck" zusammen: einem Wurstsalat mit Bratkartoffeln und einem Schnaps. Und weil Werner Fleck, damals "Audi"-Außendienstler, in China seine Frau Gao Xia - die alle hier nur "Gowi" nennen - kennen gelernt hat, gab es jetzt scharfe Nudeln mit Huhn und Gemüse.
Der Frauenkreis hat Süßes in seinem Eiscafé serviert. Foto: Tim Kegel
Und weil Jochen und René, Dominik, Moritz und einige andere sich nicht nur als Feuerwehr-Nachwuchs gut verstehen, sondern "auch freizeitmäßig zusammensitzen", deshalb wurde ein Holzofen organisiert, den ein Vater der Jungs aus einem Bagger-Tank geschweißt hat: "Letztes Jahr hat man denen die Hütte eingerannt", erinnert sich Oskar Stang vom Sportverein, vor 30 Jahren einer der Erfinder der Neu-Kerwe. Eine Pizza, nach Wunsch handbelegt, war beim Bauwagen-Debut 2017 "der Renner" - mit 500 verkauften Stück. Dieses Jahr gab’s Flammkuchen, der Teig wurde im Elsass im großen Stil besorgt. Indessen füllt der Frauenkreis Gläschen mit Mascarpone und Kompott zum Nachtisch, brutzeln Backhähnchen mit krosser Kruste.
Und sogar Vegetariern und Vegetarierinnen gönnt man mehr als Käsebrot: Hinzu gesellen sich ein fleischloser Kerwe-Weck, Mozzarella-Sticks, Eiscafé, Kuchen oder eben Flammkuchen. Rinderbraten mit Spätzle - bitteschön, wie sich’s gehört am Sonntag. Dorffest-Klassiker, wie Steak und Bratwurst - eh klar. "Was nur geht wird im Umland gekauft", erklärt Oskar Stang, beim Bäcker im Ort, bei Metzgern, bei der Brauerei und anderen Lieferanten in der Umgebung. Großhandel wär’ doch billiger? "Bringt’s nicht", ist Oskar Stang überzeugt.
Puzzleteile für die besondere Kerwe sind auch der Platz, ein schlossartiges Hofgut mit Park, wo es seit Jahren ein immer beliebter werdendes Rockfestival gibt, bei dem die Vereine ebenfalls helfen; keine störenden Straßen und viel Ruhe für Eltern mit Kindern, viel romantisches Grün, wenn abends hübsch die Lichterketten leuchten. "Kann sein", dass mit der Zeit auch die Festival-Lockerheit - und -routine - auf die Kerwe ausgestrahlt hat. Oder umgekehrt, denn die Kerwe war zuerst da.
Bei aller Leichtigkeit ist es auch kein Zuckerschlecken, schildern Frank Rieth von der Feuerwehr und Holmer Slocinski vom Sportverein. Auch in Bonfeld kennt man nur allzu gut steigende Auflagen des Gesundheitsamts und schwindende Bereitschaft bei Helfern: "Die Generation zwischen 35 und 50 Jahren ist schwer zu motivieren", sagen sie.
Umso mehr fällt auf, wie zupackend die rund 200 Helfer ans Werk gehen. Den meisten von ihnen sieht man sogar so etwas wie Spaß an. Den Abgesang ans Dorffest, an die Kirchweih - warum hört man ihn bei Festen ringsum, aber hier nicht?
Auch Oskar Stang hat es sich künftig vorgenommen, "etwas kürzerzutreten"; sowieso würden Leute wie SV-Vorsitzender Armin Tritter inzwischen wesentliche Teile der Arbeit machen. Dass alle Vereine in eine Kasse wirtschaften, deren Erlös wiederum dem Vereinsleben zugute kommt, hält Anja Mathis für einen Schlüssel des Erfolgs: "Man neidet sich nichts", sagt sie. Oder ist’s die Luft? "Wir haben noch echte Dorfgemeinschaft."