Von Tim Kegel
Sinsheim. Was war nicht schon alles zu Gast in der Elsenzhalle: Ziegenböcke und Zuchtkaninchen, Rammler und Rassetauben, Brautmoden und Bata Illic, Gotthilf Fischer - und zuletzt sogar Gottesanbeterinnen. Mit rund 80 exotischen Insekten machte die "Insektopia"-Schau des Stuttgarters Ricardo Köllner gestern Station in Sinsheim.
Wehe, wenn der sticht: Der Texasskorpion, den Köllner mit der Pinzette am Schwanzende festhält, würde in diesem Fall eine Hand auf doppelte Größe anschwellen lassen. Ein Schmerz würde sich einstellen, der 20 Mal so heftig sein soll, wie ein Wespenstich und angeblich drei Wochen lang nicht nachlässt. Wir wissen es nicht, Köllner auch nicht. Zugeschlagen hat das gelblich-falbe Tier noch nicht, dafür hätten ihn einige der Spinnen schon gebissen. Das sei extrem schmerzhaft und sehe bedrohlich aus: "Die richten sich vorher auf und hauen zu", schildert er. Ein bisschen Gruseln darf schon sein, es gehört auch zur Show. Der weit größere Teil davon dreht sich um die Faszination Insekten und um Fachwissen "light", spannend besonders für Kinder, aber auch Erwachsene.
In der Tierwelt - das zeigen die Insekten - werden Drogen konsumiert; gehört brutaler Sex zur Tagesordnung: Der Besucher lernt, dass es in Afrika Makaken, also Halbaffen gibt, die sich am Gift von Riesentausendfüßern berauschen. Es gibt Videos, die die Tiere zeigen, wenn diese vom Tausendfüßer-Turn belämmert in der Gegend herum hocken. "Die lecken nur ab", sagt Köllner, seit zehn Jahren mit Insekten auf Tour, "die Tausendfüßer überleben das."
Im Gegensatz zum Mantis-Männchen, im deutschsprachigen Raum als Gottesanbeter bekannt: Jenem beißt das Weibchen vor dem Liebesspiel oftmals die Flügel ab, damit es nicht flieht, bevor es richtig zur Sache geht: Auch der Kopf werde bei manchen Arten folglich abgetrennt, was Ricardo Köllner zum Zotenreißen animiert: Das mit den Flügeln nenne man "beim Menschen auch Ehe"; und "dass Männer auch ohne Kopf" - man ahnt, was kommt - sei ja bekannt. Doch auch Gehaltvolleres, etwa zu den Lebensgewohnheiten oder zum oft biblischen Alter von über 20 Jahren, das Großspinnen erreichen können, erfährt der Besucher. Und: Weshalb einige dieser Arten in der Natur bedroht und daher schützenswert sind. Das geschieht am besten übers Anfassen. Vor allem Kinder sind begeistert von faustgroßen Achatschnecken, filigranen Heuschrecken und putzigen Spinnen und Gliedertieren. Nach einer Runde durch die "Insektopia" ist manchen etwas sympathisch, das sie vorher für undenkbar gehalten hätten.
Es solle den Tieren unbedingt gut gehen, sagt Ricardo Köllner, der die Show mit seiner Frau und zwei Cousins betreibt. Fotografieren mit Blitzlicht ist nicht gestattet, an die Terrarien-Scheiben klopfen, rennen oder lautes Getue ebenso wenig. "Natürlich" habe Köller, der aus einer Zirkusfamilie stammt, aber "übers Insektenhobby" zum Beruf kam, regelmäßig mit verärgerten Tierrechtlern zu tun, genauso "an jedem Veranstaltungstag" mit den Veterinärbehörden, die nie etwas auszusetzen hätten.
Es handle sich durchweg um Nachzuchten, keine Wildfänge. Man stehe hierzu in Kontakt mit Züchtern in ganz Europa. Das hohe Alter, das die insgesamt rund 800 gehaltenen Arten erreichten, zeige außerdem, "dass wir alles richtig machen".